Krafttraining
erzeugt die äußere Kraft ein beträchtliches Drehmoment um eine Drehachse, die durch die Zwischenwirbelscheiben verläuft. Muskeln und Bänder der Wirbelsäule verlaufen nahe der Drehachse, sodass die von ihnen entwickelte und übertragene Kraft mitunter das gehobene Gewicht und das Gewicht des Oberkörpers überschreitet. Diese Kraft trägt in hohem Maße zur mechanischen Belastung der Zwischenwirbelscheiben bei ( vgl. Tab. 7.1 ).
Bedeutung des Bauchrauminnendrucks
In mehreren Untersuchungen wurde der Mechanismus und die Bedeutung des Bauchraumnendrucks (IAP ) untersucht. Die folgenden Darlegungen gehen von den am glaubhaftesten Erklärungsansätzen aus.
Die in der Legende zu Abbildung 7.4 angeführte Gleichung zeigt, dass bei einer Vorbeugung mit einer Masse von 80 kg die Lendenwirbel mit einer Last von 10 kN belastet werden können, womit deren mechanische Belastbarkeitsgrenze überschritten wird.
Tab. 7.1: Auf L3 wirkende Kraft (Körpergewicht) bei verschiedenen Körperhaltungen und Bewegungen
Haltung oder Bewegung
Kraft
Liegend, Rückenlage, Zugkraft von ca. 300 N
0,14
Liegend, Rückenlage, Beine gestreckt
0,43
Aufrechter Stand
1,00
Gehen
1,21
Rumpfbeugen zu einer Seite
1,35
Sitz ohne Rückenstütze
1,43
Isometrische Übungen der Bauchmuskulatur
1,57
Lachen
1,71
Vorbeugung um 20°
1,71
Aufrichten aus Rückenlage, Beine gestreckt
2,50
Heben einer Masse von 20 kg, Rücken gestreckt, Knie gebeugt
3,00
Heben einer Masse von 20 kg aus der Vorbeuge, Beine gestreckt
4,85
Es ist aber auch bekannt, dass Sportler deutlich größere Lasten heben können, ohne sich zu verletzen. Das wird ermöglicht durch die enorme Belastbarkeit individueller anatomischer Strukturen der Wirbelsäule bei trainierten Personen. Diese Berechnungen ziehen jedoch den Einfluss des erhöhten intraabdominalen Drucks nicht in Betracht, dem bei der Ausführung vieler Krafttrainingsübungen eine innere Stützfunktion zukommt ( s. Abb. 7.5 ).
Abb. 7.5: Der innere Stütz für die Wirbelsäule kann mit dem mechanischen Verhalten eines Balls in der Bauchhöhle verglichen werden. Der intraabdominale Druck (IAP) erzeugt ein Streckmoment bezüglich der Drehachse (I bildet den Hebelarm).
Der Bauchrauminnendruck steigt bei muskulären Anstrengungen an, insbesondere bei Nutzung der Valsalva-Atemtechnik. Infolge des inneren Stützes kann der Druck auf die Zwischenwirbelscheiben im Mittel um bis zu 20 % verringert werden, in Extremfällen um bis zu 40 %.
Die praktikabelste Methode zum Messen des Bauchrauminnendrucks besteht im Einführen eines Druckmessfühlers in die Magenhöhle. Der dort gemessene Mageninnendruck entspricht näherungsweise dem Innendruck im Bauchraum. In den Abbildungen 7.6 und 7.7 sind entsprechende Messwerte bei der Ausführung verschiedener Körperübungenangeführt. Ausgehend von den vorliegenden Untersuchungsergebnissen können folgende Schlussfolgerungen abgeleitet werden.
Der Bauchrauminnendrucks verhält sich proportional zum Kraftmoment um eine Drehachse, die durch die Zwischenwirbelscheiben verläuft (jedoch nicht proportional zur entwickelten Kraft oder zur gehobenen Last). Da beim Bewältigen derselben Last verschiedene Bewegungstechniken angewandt werden können, bedingt die äußere Kraft auch unterschiedliche Kraftmomente. In Abhängigkeit vom Hebelarm sind bestimmte Techniken gefährlicher als andere. Es kann ebenfalls geschlussfolgert werden, dass mit Zunahme der Fähigkeit, maximale Lasten zu heben, der Bauchrauminnendrucks ansteigt, wodurch die mechanische Belastung der Wirbelsäule verringert wird.
Der hohe Bauchrauminnendruck wird durch die Aktivität der Bauchmuskulatur, der Zwischenrippenmuskulatur und des Zwerchfells erzeugt. Wenn die Größe des Bauchrauminnendrucks und andere Parameter (Last, Körperhaltung) erfasst werden, kann mithilfe spezieller biomechanischer Modelle der Druck auf die Zwischenwirbelscheiben mit ausreichender Genauigkeit bestimmt werden.
Abb. 7.6: Bauchrauminndruck (Kilopascal) beim Gewichtheben. Aus Zatsiorsky, V. M. & Sazonov, V. P. (1985). Biomechanical foundations in the prevention of injuries to the spinal lumbar region during physical exercise training. Theory and Practice of Physical Culture, 7, 33-40. Abdruck mit Genehmigung.
Abb. 7.7: Zunahme des Bauchrauminnendrucks (Kilopascal) bei (A) Last auf den Schultern, (B) Veränderung des Lastarms (konstante Last von 20 kg). Aus: Sazonov, V. P. (1985). Biomechanical studies in the prevention of injuries to the spinal lumbar
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