Krank für zwei
Mann entgegen. Ein Mann, der trotz Sommertemperaturen einen Trenchcoat trug. Hektisch wühlte er in einem Beutel und zog eine Perücke heraus.
»Ist das hier Leifert?« fragte er zerwuselt und versuchte, die Perücke auf seinem Kopf zu platzieren. »Ich bin etwas spät dran. Hoffentlich ist niemand sauer.«
»Aber gar nicht«, Alexa grinste. »Wenn Sie Frau Männlein sind, dann warten die Damen schon auf Sie.«
Alexa drehte sich noch einmal um. »Und vergessen Sie nicht, den Trenchcoat auszuziehen.«
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Er konnte es nicht länger ansehen. Dr. Peuler, der Wohltäter. Dr. Peuler, der brillante Mediziner, der Lebensretter, der Held. Er konnte es einfach nicht länger ansehen.
Aber zumindest hatten sie sein Kreuz erwähnt. Sein Zeichen. Gestern schon hatte er befürchtet, es sollte ganz unter den Tisch fallen. Heute aber hatten sie davon berichtet. Diese Polizeikommissarin hatte es genau beschrieben, ohne jedoch sagen zu können, warum der Täter es hinterlassen hatte. Die Frau hatte noch überhaupt keine Ahnung! Sie hatte nichts verstanden. Nicht das Kreuz. Nicht die Farben. Nichts. Und das dritte Zeichen hatte sie überhaupt nicht gefunden! Die Polizei arbeitete schlampig, da gab es kein Vertun.
Und dann dieser Zusammenschnitt von Peulers Leben, dieses Foto, auf dem er zusammen mit seiner Frau zu sehen war. Ein feiner Herr. Für jede Not ein offenes Ohr. Überall das gleiche – in den Zeitungen, im Lokalfunk und jetzt auch hier im WDR-Fernsehen. Dr. Peuler, das arme Opfer. Aber das war falsch. Dr. Peuler war nicht das Opfer. Warum wollte das denn keiner verstehen?
Langsam machte sich in ihm eine Unruhe breit. So durfte das nicht weitergehen. Dieser Mensch durfte nicht verherrlicht werden! Er hatte seine Strafe bekommen, sonst nichts. Und plötzlich wurde ihm bewußt, daß die Sache unvollständig war. Dr. Peuler war bestraft worden und mit einem angemessenen Zeichen versehen. Auch wenn die Welt das nicht verstand! Aber die Angelegenheit war noch nicht beendet. Es gab eine weitere offene Rechnung. Noch eine Strafe. Doch fiel ihm auch diesmal auf Anhieb kein passendes Zeichen ein. Seine Botschaft war klar, aber er mußte sie in die richtige Form bringen. Das war wichtig. Und die Zeit drängte. Das war das Schlimme. Es mußte schnell passieren, aber er brauchte doch für alles seine Zeit. Mit Gewalt preßte er seine Fäuste gegen die Schläfen. Es fiel ihm so schwer, das Denken. Es fiel ihm so schwer.
25
Marlene Oberste sah müde aus. Das hatte Max als erstes gedacht. Trotzdem schien sie nicht sauer zu sein.
»Es war eine gute Spur«, war daher auch das erste, was sie zu Max sagte, als er sie im Flur traf. »Es war eine verdammt gute Spur. Und Sie haben sie entdeckt.«
»Nicht wirklich«, Max wurde ein wenig verlegen. »Eigentlich hat ja mein Freund mich darauf gebracht.«
»Aber Sie haben geschaltet und weiterrecherchiert.«
»Gott ja.«
»Die Sache mit dem Bauamt war ein guter Zug.« Jetzt reichte es aber. Max wurde es langsam unangenehm. Das war keine große Sache gewesen. Nachdem Alexa ihm von dem Grundstücksverkauf erzählt hatte, hatte er auf eigene Faust Erkundigungen eingezogen. Bei einem alten Kumpel, der hier vor Ort in einem Architektenbüro arbeitete.
»Wenn jemand ein großes Bauvorhaben hat, also so ein richtig großes, gibt es dann einen Grund, das schon in Kürze durchzuziehen und nicht mehr länger zu warten?« hatte er Ludger gestern Abend am Telefon gefragt.
»Du meinst so etwas wie Steuervorteile, schätze ich?« Ludger hatte vor sich hingegrunzt. »Da muß ich mal nachblättern. Ich rufe gleich zurück.«
Schon drei Minuten später hatte das Telefon geschellt. »Steuervorteile habe ich nicht gefunden. Das wird eher ungünstig im kommenden Jahr. Aber Lisa hat mich drauf gebracht, meine Frau. Sie meinte, bevor man ein großes Ding hochzöge, müßte erstmal die Baugenehmigung im Sack sein.«
»Klaro, aber das ist doch immer gleich.«
»Schon, es sei denn, man möchte die Genehmigung noch unter Glingener einheimsen.«
»Glingener, wer ist das?«
»Der Leiter des Kreisbauamtes. Glingener ist bekannt für eine, sagen wir, willkürliche Einflußnahme bei der Vergabe von Bauanfragen. Wenn man einen guten Draht zu ihm hat, kriegt man fast alles durch.«
»Und warum sollte man das schon sehr bald tun?«
»Ganz einfach. Glingener ist 64. Wer von ihm noch etwas will, der sollte sich sputen.«
Dieser Satz hatte den Ausschlag gegeben. Max hatte nicht länger gezögert und die Chefin
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