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Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport

Titel: Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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-Prüfhonorar beträgt »schon das Zweifache unserer ärztlichen Vergütung«, teilt der Arzt seiner Patientin Lena mit.
    Lena weiß, dass sie ohne Kontaktlinsen nahezu blind ist, dass sie ihren Job verlieren wird, ja nicht einmal die Hausarbeit erledigen kann. Ihr ist auch klar, dass es, wenn überhaupt, ganz wenige Spezialisten in Deutschland gibt, die sie optimal versorgen können. Doch abfinden will sie sich mit ihrem Schicksal nicht. Den Verlauf ihrer Krankheit kann bis jetzt niemand total stoppen, erheblich hinauszögern aber schon. Und politische Entscheidungen sind umkehrbar – bei ein bisschen gutem Willen.
    Lena wandte sich mit ihrem Schicksal zunächst wieder an ihre Kasse, dann an die politisch Verantwortlichen. Die Betriebskrankenkasse empfahl, der Arzt solle sich doch an seine KV wenden. Sie habe »ausreichende Möglichkeiten an der Hand, eine Vergütung zu organisieren, die keine derart problematischen Verteilungseffekte« erzeuge. »Gerne« wolle die Kasse gegen »Ihren Arzt« vorgehen, der sich vertragswidrig verhalte, wenn er Behandlungen »mit dem Hinweis auf ein Budget« verweigere. Die angebotene Alternative für Lena: »Suchen Sie sich einen anderen Arzt in Ihrer Umgebung.« Doch die stellen sich finanziell keinen Deut besser. Was die Erstattung der Kontaktlinsen angeht, zitiert die Kasse die Richtlinien. Daran habe sie sich zu halten.
    Das angeschriebene Bundesgesundheitsministerium erläuterte kurz vor der Bundestagswahl 2009 wortreich, welche Institution für welche Vorschriften verantwortlich zeichnen würde. An den Richtlinien zur Versorgung mit Sehhilfen werde nichts geändert. Wer sie aus medizinischen Gründen benötige, werde zudem voll versorgt. Für Honorarfragen sei nicht Ulla Schmidts Haus, sondern die KV und als deren Rechtsaufsicht das Gesundheitsministerium in Stuttgart zuständig.
    Zu ihrem konkreten Fall fand Lena in diesem zweiseitigen Papier kein einziges Wort. Lena hält mit ihrem Zorn nicht hinterm Berg: »Die Herrschaften machen sich gar keinen Kopf darüber, wie beschissen ich dran bin.«
    Dem Doktor geht es nach dem Regierungswechsel nicht anders. »Im Auftrag von Bundesminister Dr. Philipp Rösler« teilt ihm ein Mitarbeiter mit, sein Haus habe keine Möglichkeit, den Sachverhalt zu überprüfen. Es werde sich dazu auch nicht »wertend« äußern. Der Verweis auf die Landesbehörde fehlt nicht. Was können Kassenversicherte und Ärzte von einer so zahnlosen und hasenfüßigen Oberbehörde erwarten? Das Modernisierungsgesetz stammt doch von dort. Das Gesundheitsministerium in Stuttgart hat auf die Mahnung, die Dienstaufsicht über die KV wahrzunehmen und die Honorarverteilung in Bezug auf seine Praxisbesonderheit zu kontrollieren, nicht einmal reagiert.
    Inzwischen hat der Augenarzt Hunderten seiner Patienten dargelegt, dass er sie unter den derzeitigen Bedingungen nicht weiter behandeln kann. Es handelt sich samt und sonders um Krankheiten, die laut Weltgesundheitsorganisation zu schweren Augenleiden zählen. Dr. R. begründete: »Die Politiker erlauben den Kassen, immer höhere Beiträge einzufordern, und kürzen im Gegenzug die Leistungen.« Einige Krankenkassen haben ihren Mitgliedern nach Kenntnis dieser ärztlichen Entscheidung geraten, die Ablehnung zu ignorieren und einfach als »Notfall« in der Arztpraxis aufzutauchen. Sie abzulehnen wäre ein eindeutiger Verstoß gegen die Pflichten des Arztes. Doch der Schwarze Peter in diesem Spiel um die Gesundheit liegt nicht in der Arztpraxis. Natürlich könnte er diesem Chaos entgehen und jederzeit eine Privatpraxis eröffnen. Aus der ganzen Republik fahren schwer Augenkranke zu ihm nach Ulm. Er wäre auch die Gängelung der KV los, die ihm zusätzlich die Behandlung auf 749 Patienten pro Quartal begrenzt. »Doch was machen dann Hartz- IV -Empfänger oder Menschen mit geringem Einkommen?« Dr. R. beantwortet diese Frage gleich selbst: »Ich kämpfe für alle meine Patienten.« Mit ihnen will er den Druck auf Kassen, KV und Politik erhöhen – auch juristisch. Der sogenannte Bundesmantelvertrag für Ärzte billigt ihm jedenfalls eine »angemessene Vergütung« seiner Tätigkeit zu. Lena sagt: »Davon kann absolut keine Rede mehr sein. Dabei zahlen mein Arbeitgeber und ich mit 14,9 Prozent so viel Beitrag wie noch nie.«

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5. Gesundheitsfonds und die Folgen
    Die Jagd nach Krankheiten
    A ufgrund der politischen Rahmenbedingungen wird vonseiten der Beitragsverwalter – sprich: den Krankenkassen – ein

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