Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport
deutlicher Unterschied zwischen gesunden und kranken Menschen gemacht. War es bis zur Umstellung mit dem Gesundheitsfonds der gesunde, wenn möglich auch noch junge Beitragszahler, auf den sich die Marketingabteilungen der Kassen konzentrierten, so ist nun durch den Gesundheitsfonds und die damit erfolgten Umleitungen der Geldflüsse eine Kehrtwende eingetreten. Plötzlich sind bestimmte Kranke wieder interessant. Wer sie hat, kriegt Geld. Die Damen und Herren Geldverwalter bei den Kassen haben sich beraten lassen, mit welchen Namen und Abkürzungen man die neuen Pipelines versehen könnte. Wer an das Geld aus dem großen Topf heranwill, muss sie kennen. Und er muss die Kniffe kennen, mit denen man die neue Art von Geldbeschaffung virtuos zu seinem Vorteil nutzt.
Der niedergelassene Arzt wird vonseiten der Kassen angehalten, »lupenreine Codierungen« vorzunehmen. Nur was codiert ist, wird bezahlt. Der clevere, am Erhalt und der Mehrung seines Wohlstandes interessierte Arzt sieht weniger darauf, dass er seine chirurgischen Techniken verbessert oder sein Wissen vermehrt; er perfektioniert sich am besten als Weltmeister im Codieren. Wohl dem, der sich auf die geschickte Leitung des Geldflusses aus dem Gesundheitsfonds versteht. Euros, her zu mir! Der Patient wird in diesem Spiel zum lästigen Nebeneffekt des ärztlichen Erstattungskrieges mit den Krankenkassen, zum Spielball zwischen den Fronten, zum Faustpfand, zum Kollateralschaden.
Den Beitragszahlern war lange nicht klar, was sich durch die Einführung des Gesundheitsfonds in der strategischen Vorgehensweise der Kassen änderte. Erinnern wir uns: Der Gesundheitsfonds war ein politischer Deal zwischen der damaligen Koalition CDU ⁄ CSU und SPD , der nichts zum Besseren wendete, der vielmehr den Karren nur noch tiefer in den Dreck fuhr. Es kam, was kommen musste: Beitragserhöhungen, weitere Schübe der Bürokratisierung, neue Unzufriedenheit bei Ärzten und Patienten. Vor Einführung des Fonds fehlten in verschiedenen Bundesländern Millionen bei den Krankenkassen, mit dem Fonds wurde entschieden, die Kassen können uns Beitragszahler weitere Beitragserhöhungen auferlegen. Der Tenor der Reformer lautete immer nur: »Wir brauchen mehr Geld!« Die naheliegende Frage, wo denn bisher das ganze Geld geblieben war, wurde schlicht ausgeblendet oder mit Allgemeinplätzen bedacht. Wie man so was fragen kann, wo doch alles so komplex ist! Nun, die Pharmaindustrie durfte weiterhin die Preise nach Gefühl ansetzen; die Krankenkassen durften weiter an ihren Tempeln und bürokratischen Hierarchien bauen; niemand schaute wirklich hin, wenn bei ebendiesen Kassen Millionen in sinnlosen Promotionaktionen und hirnrissigen Gesundheitsprogrammen versackten.
Letzten Endes hat die Einführung des Gesundheitsfonds zur Jagd der Kassen nach Codierung von Krankheitsdaten ihrer Mitglieder geführt. Wie Bienenschwärme brachen ab November 2008 in Bayern AOK -Mitarbeiter in die Hausarztpraxen ein. Vor dem 1. Januar 2009 sollte den Ärzten anhand von mitgebrachten Patientenlisten Nachhilfeunterricht im Codieren von Diagnosen erteilt werden. Im Hintergrund war Folgendes gelaufen: Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesversicherungsamt ( BVA ) hatte ein Gutachten erstellt, wonach der bestehende Risikostrukturausgleich ( RSA ) weiterentwickelt werden müsse. Gemeint ist: Wir müssen einen Ausgleich dafür schaffen, dass die einen Kassen nur die Lahmen, Blinden, Alten und Halbtoten haben, was Kosten verursacht, und die anderen Kassen (die dank der flotteren Werbung) vornehmlich die Heimat der knackigen Mittzwanziger sind, was die Abschöpfung saftiger Renditen erlaubt. Gleich kommt nun – ich liebe es! – im Gutachten das lustige Wörtchen »morbiditätsorientiert«. Es geht dabei um die Frage von Kasse A an Kasse B: »Wollt ihr nicht ein paar von unseren Halbtoten haben?« Klar, dass Kasse B da mal nicht hinhört! Also muss sie gezwungen werden! Morbidität heißt übrigens Krankheit, und ein Deal mit der Krankheit ist die Grundidee des Gesundheitsfonds. 80 Krankheiten werden in diesem Gutachten aufgeführt, die seit 2009 im neuen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich der Kassen berücksichtigt werden. Diese 80 Krankheiten sind mit einem Code versehen, der auch noch mit verschiedenen Untercodierungen versehen ist. Jeder eingetragene Code ergibt bares Geld für die jeweilige Kasse aus dem Zauberkasten Gesundheitsfonds.
Die Erfindung des »Gesundheitsfonds«, mit dem die
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