Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport
Patienten mit Blasen- und Darmentleerungsstörungen ist nicht mehr gegeben. Die Diskussion drehte sich nur ums Geld und nicht darum, was medizinisch und schon gar nicht, was menschlich bedarfsgerecht und sinnvoll ist.
An einem unserer monatlichen Bürgertreffs diskutieren wir, was zu tun ist. Da ich mehr für Handeln als für Reden bin, kommt mir der Gedanke, den zuständigen Kassen doch wenigstens ein paar Tage lang das Resultat ihrer Ausschreibungen praktisch vorzuführen. Die von mir angeregte Solidaritätsaktion wird von ein paar tollen, couragierten Leuten aufgegriffen und in die Tat umgesetzt. Mehr als eine Woche lang organisieren wir einen Fahrdienst zu betroffenen Inkontinenzpatienten und holen dort die gefüllten und undichten Windeln in speziellen Plastikbeuteln ab, verknoten sie sicher und hängen sie an die Türen der jeweiligen Kassenfilialen. Eines haben wir dabei erreicht: Im Fernsehen wird über die mangelhafte Qualität und die Folgen für die Betroffenen berichtet, und dies holt ein Tabuthema in die Öffentlichkeit!
Dem Billigboom in Sachen Hilfsmittel steht gegenüber: Rund 50 Millionen Euro Mitgliedsbeiträge hat der AOK -Bundesverband allein zwischen 2000 und 2003 für Beraterverträge ausgegeben. Leistung und Nutzen der Tätigkeiten hat das Bundesgesundheitsministerium selbst gegenüber dem Souverän in unserem Staat, dem Bundestag, zur »Geheimsache« erklärt. »Weitere Einzelheiten wollte der AOK -Bundesverband nicht nennen, da dies … nicht im Interesse der AOK -Mitglieder sei.«
Nachtrag zur Windelaffäre: Als Fallbeispiel, wie sich die gut klingenden theoretischen Erklärungen der Kassen lesen und wie die Praxis dann aussieht, ein Schreiben der Barmer vom Juni 2008 an eine pflegebedürftige Patientin.
»Information zur Versorgung mit aufsaugenden Inkontinenzartikeln
Sehr geehrte Frau XXXX ,
manches ändert sich, aber die hochwertige Versorgung durch Ihre Barmer bleibt. Die Barmer passt derzeit ihre Verträge an neue gesetzliche Vorschriften an. Dies hat auch Einfluss auf Ihre Versorgung mit Hilfsmitteln, wozu auch aufsaugende Inkontinenzartikel (beispielsweise Vorlagen oder Inkontinenzhosen) zählen. Beruhigend für Sie: Auch in Zukunft werden wir für Sie eine erstklassige Versorgung sicherstellen.
Was ändert sich? Zum 01. 08. 2008 tritt ein neuer Barmer-Vertrag für die Versorgung unserer Versicherten mit Inkontinenzartikeln in Kraft. Das heißt, ab dem 01. 08. 2008 darf ausschließlich unser neuer Vertragspartner die Beratung und Belieferung mit aufsaugenden Inkontinenzartikeln vornehmen. Für Sie bedeutet dies, dass die von Ihnen benötigten Inkontinenzartikel ab diesem Datum von folgenden Vertragspartnern geliefert werden: Fa. XXXX
Unser Vertragspartner erfüllt in besonderem Maße alle Voraussetzungen, Ihnen eine qualitativ hochwertige Versorgung zu bieten. Damit Ihre Versorgung lückenlos und bedarfsgerecht fortgeführt wird, werden wir Ihre Kontaktdaten (Versicherungsnummer, Name, Anschrift, Kennzeichen M/W, Geburtsdatum und Telefonnummer) sowie die zur Versorgung notwendigen Informationen über die Befreiung von der gesetzlichen Zuzahlung und – soweit bei uns gespeichert – die Art der von Ihnen bisher erhaltenen Inkontinenzhilfsmittel an den Vertragspartner weiter gegeben. Er wird sich in Kürze mit Ihnen in Verbindung setzen, um die weiteren Liefermodalitäten abzustimmen.
Die Weitergabe Ihrer Daten ist zur Aufgabenerfüllung der o.g. Firma erforderlich. Die Firma wurde vertraglich verpflichtet, Ihre Daten nicht an Dritte weiterzugeben und sie ausschließlich für Zwecke der Versorgung mit Inkontinenzartikeln zu verwenden. Unser neuer Vertragspartner liefert Ihnen auf Ihre Bestellung hin eine abgestimmte Menge an Inkontinenzhilfsmitteln, üblicherweise etwa einen Monatsbedarf. (…)
Mit freundlichen Grüßen Ihre Barmer
Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.
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16. Pflege nach Kassenlage
Ein würdiges Ende
S onntagabend, 23.10 Uhr – ein Pflegeheim irgendwo in Deutschland. Die 89-jährige Anna F. stürzt auf dem Weg zur Toilette. Anna F. hat Glück. Sie ist in einem guten Haus untergebracht. Der Spätdienst sieht die klaffende, blutende Wunde am Kopf und reagiert sofort. Er ruft einfach nach dem Hausarzt. Kein kostspieliger Notfall wird inszeniert, kein Transport mit dem Rettungswagen organisiert, keine kostenintensive Krankenhausversorgung angeleiert, auch kein Stress für die betagte Patientin
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