Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport
schafft den Faktor Liebe ab, eliminiert die Barmherzigkeit, vertreibt die Wärme. Gekaufte Zuwendung ist immer prekär. Es muss noch etwas anderes unser zwischenmenschliches Handeln bestimmen als das, was wir auf der Tasche haben. Über allem steht als Entschuldigung der demographische Wandel; deshalb brauche es mehr Wettbewerb. Menschliche Nähe sei aus ökonomischer Sicht nicht zu finanzieren. Nun haben wir Milliarden ausgegeben für Fortschritte in der Medizin. Die Folge ist, dass wir alle länger leben. Nun soll der menschenwürdige Umgang mit den Alten nicht mehr finanzierbar sein? Eine ganz gefährliche Denke macht sich hier breit.
Wenn Wettbewerb alles ist, könnte man sich auch die Frage stellen: In welchem Wettbewerb liegt Anna F. mit ihrer Zimmernachbarin Frau L.? Hat eine von beiden mehr Recht auf Leben? Haben diese beiden Menschen nach 85 und 89 Lebensjahren ihr Lebensrecht verwirkt? Haben sie kein Recht mehr auf ein bisschen Freude, ein Lächeln, eine Zärtlichkeit? Dürfen sie keine Gefühle haben? Ängste vor dem nahenden Ende verspüren? Haben sie am Ende des Lebens noch keinen Anspruch mehr, menschlich behandelt zu werden? Krankheit, Alter, Pflege gehört zum Menschen. Wer denkt, Krankheit und Alter könne man abschieben, es gehöre nicht zum Dasein, wird spätestens eines Besseren belehrt, wenn es ihn trifft.
Alte und Kranke sind angewiesen auf Menschen, die sich dem Pflegeberuf verschrieben haben, die tagtäglich auch mit Schwerstpflegefällen umgehen, so, wie es in unserem Grundgesetz, Art. 1, steht. Die Würde des Menschen ist unantastbar! Und dafür werden sie miserabel bezahlt, in manchen Fällen sogar ausgebeutet und für zu viel Zuwendung abgemahnt! So manche Pflegekraft muss sich entscheiden zwischen den ökonomisch ausgetüftelten, zeitlich festgelegten Vorgaben und dem Menschen, an dem sie die Pflege ausführt.
An dieser Stelle möchte ich all denen ein Dankeschön sagen, die in diesen helfenden Berufen täglich ihre Frau und ihren Mann stehen! Ich finde, wir haben eine Verpflichtung, dass sie unter Rahmenbedingungen arbeiten, die besser sind als heute. Dann blühen auch die ihrer Sorge anvertrauten Menschen auf.
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17. Versorgungsdesaster
Die Legende vom Landarzt
F ernsehserien führen uns mehrfach wöchentlich den wunderbaren Arztberuf vor und lassen uns fiktive Bekanntschaft mit Medizinern schließen, die
noch ganz Arzt
sein dürfen. Die Serie »In aller Freundschaft« zeigt zwar eine nervige Verwaltungschefin, aber sie liefert uns auch Ärzte und vor allem einen Chefarzt, dem es vornehmlich um die Belange seiner Patienten und seiner jungen Kollegen geht. Fast schon nostalgisch erscheint die Serie »Der Landarzt«, in der die heile Welt 1:1 in eine ländliche Praxis verlegt wird.
Die Zeit, die der Landarzt im Fernsehen für seine Patienten und für deren Sorge und Nöte aufbringt, hat der reale Landarzt nur, wenn er die Zeit, in der er sich um seine Patienten kümmert, zum größten Teil unentgeltlich ableistet. Viele Leute haben ja ein Hobby. Darum gibt es die Spezies Landarzt bald nur noch im Fernsehen. Der deutsche Landarzt wird unter Artenschutz gestellt wie die Hummelfledermaus oder der Ameisenigel. Sie halten das für überzogen? Dann fragen Sie einmal Ihren Hausarzt, warum sich kaum ein junger Arzt mehr bereitfindet, seinen Job zu machen. Zu Tausenden ziehen junge, in Deutschland ausgebildete Ärzte ins Ausland. Seit Jahren weist beispielsweise der Bayerische Hausärzteverband auf die infamen Killerstrategien hin, die dem Landarzt systematisch den Garaus machen sollen. Den Landarzt, der uns im Abendprogramm die heile Welt eines Dorfes zeigt, in der der Arzt nicht nur seine Patienten gut kennt, sondern auch das soziale Umfeld in die Behandlung mit einbezieht, soll es nach den Plänen der Politstrategen und ihrer Berater gar nicht mehr geben.
Vorsicht: Genau diejenigen, die jetzt über den unhaltbaren Zustand klagen (wie zum Beispiel der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung), sind doch wohl in vielen Fällen die direkten Verursacher der Misere.
Den Landarzt kann man auf ganz einfache Weise retten, indem man ihm nämlich anständige Rahmenbedingungen verschafft, unter denen er wirtschaftlich überleben kann. Das wäre auch ökonomisch die mit Abstand sinnvollste Lösung. Aber aus Sicht der Geschäftemacher gerade das Problem. Der Hausarzt nimmt ihnen
Business
weg. Wo ein Hausarzt agiert, kann sich die Kungelei, die sich rund um die treibenden Medizinkonzerne
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