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Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport

Titel: Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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Wärmedämmung!« Der Witz kommt nicht an. Familie S. findet das schon lange nicht mehr lustig.
    Die Windelpakete verschwinden nacheinander in der Wohnung. Jeder Freiraum wird ausgenutzt: unter sämtlichen Betten, auf sämtlichen Schränken, hinter einer Couch. Der Rest wird im Fahrradkeller verstaut. Mein Mann fährt in den nächsten Laden und holt zwei Rollen von diesen großen grauen Müllsäcken. In sie werden die einzelnen Pakete verstaut und im Keller aufgetürmt. An diesem Nachmittag wird mir klar, dass ein paar Theoretiker an Schreibtischen die flächendeckende Versorgung über Apotheken und Sanitätshäuser, die eine individuell zugeschnittene Hilfe vor Ort bedeutete, Hilfe für Menschen, die es schwer genug haben, ohne Sinn und Verstand zerstörten.
    Beim nächsten Telefonat mit Maria S. erfahre ich noch eingehender, welche beschissene Qualität die Windeln haben, die ihnen endlich geliefert worden waren. Ich bin geschockt, will es nicht glauben. »Kommen Sie doch bitte noch einmal vorbei, liebe Frau Hartwig, aber bringen Sie eine Nasenklammer mit«, lädt mich die Frau ein. Ja, genau das werde ich machen. Die Leute brauchen jemand, der sich für sie interessiert, der ihnen wenigstens mal zuhört.
    Angekommen bei Familie S., packt mich das blanke Entsetzen. Die Wohnung ist nicht mehr wiederzuerkennen. Die Möbel sind mit Handtüchern und durchsichtigen Folien abgedeckt, es riecht penetrant, obwohl alle Fenster und die Balkontür offen stehen. Die Inkontinenzartikel bestehen aus einer dünnen Folie mit einer sehr knapp bemessenen Auflage.
    Ich muss mich nicht intensiv mit dem Herstellen von Windeln und Einlagen auseinandersetzen. Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, solche Fetzen können nie und nimmer dicht sein.
    Maria S. versucht sich zu helfen, indem sie ihren Jungs statt einer gleich drei solche Windeleinlagen verpasst. Nur das Rechenexempel geht auch dann nicht auf. Dreilagig sind sie auch nicht dichter, nur der Verbrauch erhöht sich, und die Spirale beginnt sich von neuem zu drehen. Die Kasse ist genau in ihren Berechnungen, was ein Inkontinenzpatient in einem bestimmten Zeitraum verbrauchen darf. Aber in diesem Moment zählt das nicht. Es ist schlicht und ergreifend eine Unverschämtheit, was hier qualitativ geliefert wurde. Schon die Art der Lieferung empfinde ich als Verletzung der Intimsphäre. Die ganze Siedlung sieht die Windelpakete auf dem Trottoir stehen.
    In diesem Moment wünsche ich mir, die Verursacher dieses Wahnsinns hier, die Kassenleute und die Hersteller, müssten ihn einmal ein paar Tage am lebenden Objekt anwenden. Sie müssten den Jungs den Hintern abwaschen und müssten die Windeln persönlich entsorgen.
    Ein Rumcocktail, rabattiert von der Krankenkasse? »Die AOK gibt mit Sicherheit große Summen dafür aus, Alkoholkranke wieder gesund zu machen. Dann kann nicht angehen, dass parallel dazu über die AOK -plus-Card Angebote gemacht werden, die gerade zum gesteigerten Konsum führen.« Trotz allem schwärmte der Vertriebsleiter der AOK gegenüber einem Frontal-21-Reporter, der sich als Sonnenstudiobetreiber und potenzieller plus-Card-Partner ausgegeben hat, von der Rabattkarte als zielgruppengerechtes Marketinginstrument: »Die Kooperation mit Diskotheken läuft hervorragend: Wenn die Jugendlichen sehen, dass man hier mit der AOK 5 Euro Eintrittsermäßigung kriegt, oder ein Extra-Getränk, dann wird auch die AOK für Jugendliche interessant.«
    Wieder einmal wurde am völlig falschen Ende gespart. Bei liegenden Patienten führen die Billigartikel notgedrungen zum Wundliegen. Weitere Recherchen ergeben, dass sich Patienten außer dem Verlust an Lebensqualität Hautschäden durch den aggressiven Urin zuziehen. Daraus entstehen Folgeerkrankungen! Dies steigert die Kosten genauso wie die schlechtere Qualität. Sie forciert den Verbrauch, für den nun freilich nicht mehr die Kasse aufkommt. Sie hat ja pro forma geliefert. Zwar steht im Sozialgesetzbuch, dass die Versorgung der Kassenpatienten »zweckmäßig« sein soll. Doch das ist ein weites Feld. Da werden wir lange diskutieren, was eine zweckmäßige Windel ist. Ich gehe der Sache nach und erfahre, dass diese Ausschreibungsbedingungen gar nicht funktionieren
können
. Die Hersteller sind nicht in der Lage, ihre gute Qualität zu den geforderten Preisen zu halten. Die Lieferung von unbrauchbarem, billigem Dreck ist vorprogrammiert. Fazit einer Kostendämpfungsmaßnahme: Eine angemessene Versorgung der Patientinnen und

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