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Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport

Titel: Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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als würde sich etwas Positives, Zukunftsträchtiges, Menschenfreundliches, Schönes, Hilfreiches, Verantwortliches, Treusorgendes für die Leute ereignen. Noch einmal erinnere ich an den Trugsprech um die »Integrierte Versorgung«! In Wahrheit geht es um die flächendeckende Installation einer wahrhaft »integrierten«, weil staatlich gestützten Abzocke. Und man muss einflussreiche Menschen vor seinen Karren spannen. Solange sie die gleiche Richtung verfolgen, sind sie nützlich, selbst wenn ihre Motive mit der Bertelsmann-Mission nicht hundertprozentig übereinstimmen. Zunächst zu den Menschen:
    Sophia Schlette? Noch nie gehört? Die Politikwissenschaftlerin mit einem Master-Abschluss in Gesundheitswissenschaft (Harvard University/ USA ) ist seit 2002 bei der Bertelsmann Stiftung. Sie koordiniert deren gesundheitspolitische Aktivitäten, die von Reinhard Mohns Tochter Brigitte, ebenfalls Politikwissenschaftlerin, geleitet werden. Zuvor war Schlette Mitarbeiterin der damaligen Grünen-Abgeordneten Monika Knoche (Karlsruhe), von 1998 bis 2002 in ihrer Fraktion zuständig für Gesundheitspolitik. Die Badenerin haderte jedoch mit der Zustimmung ihrer Partei zum Afghanistaneinsatz der Bundeswehr und kehrte 2002 nicht mehr ins Parlament zurück. 2005 versuchte sie eine neue Politikkarriere und saß wieder im Bundestag, via sächsische Landesliste der Linkspartei. Ihre frühere Mitarbeiterin schlug einen ganz anderen Weg ein, Als Knoche wieder im Bundestag Reden hielt, hatte Schlette längst das »Internationale Netzwerk Gesundheitspolitik und -reform« aufgebaut. Sie leitet diesen Expertenzirkel, dem Wissenschaftler aus 20 Industrieländern – von Australien bis zu den USA  – angehören. Die Aufgabe: Zweimal im Jahr zu erheben, wie und weshalb sich Gesundheitssysteme entwickeln oder verändern, wie formelle und informelle Entscheidungsprozesse ablaufen, welche Modellprojekte und Innovationen sich aus Sicht der beteiligten Gesundheitsökonomen als die besten erweisen, um deren Resultate rasch und effizient zu verbreiten. »Gesundheitsmonitor« heißt dieses Papier, das Expertenumfragen mit objektiven Sachverhalten und subjektiven Einschätzungen der Verfasser mischt. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen direkt in die Entscheidungsprozesse der jeweiligen Länder einfließen. Partner des »Monitors« in Deutschland ist der Fachbereich »Management im Gesundheitswesen« der TU Berlin. Sein Leiter, Professor Reinhard Busse, fungiert zugleich als Berater dieses Bertelsmann-Netzwerks.
    Sophia Schlette hat auch zahlreiche Expertentreffen arrangiert, um »deutsche Entscheider« über Modellversuche aufzuklären und Reformvorhaben vor allem zu den Themen »Integrierte und Primärversorgung oder »erfolgsorientierte Honorierung« der Ärzte anzukurbeln. Dazu bedarf es messbarer Größen oder Daten. Medizin soll also vor allem nach Leitlinien betrieben werden. Spätestens 2004 knüpft Schlette Kontakte zum Führungsstab des US -Gesundheitskonzerns Kaiser Permanente ( KP ). Man trifft sich innerhalb von vier Jahren zu fünf Seminaren und Workshops. Daraus resultiert eine transatlantische Experteninitiative zum Thema Primärversorgung. In Deutschland heißt das: hausarztzentrierte Versorgung, der Hausarzt lotst also den Patienten durch das System. Mit von der Partie: Prof. Jochen Gensichen, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin des Uniklinikums Jena. Bereits Anfang Januar 2007 bietet die Bertelsmann Stiftung in Berlin die Gelegenheit zum zweitägigen »Wissensaustausch« mit Kaiser Permanente. Was ein integriertes Versorgungssystem ausmacht, fasst Vorstandsmitglied Jay Crosson zusammen:
     
    Zugriff des gesamten Personals auf die einheitliche elektronische Patientenakte.
Gesundheitsversorgung findet vor, zwischen und nach ärztlicher Behandlung statt.
Die Qualität wird ständig gemessen und verbessert.
Ärzte und Pflegepersonal müssen über Kosten und Qualität Rechenschaft ablegen.
Der Betreiber des integrierten Versorgungssystems ist in der Lage, langfristig zu investieren.
     
    Erfolg, so Crosson, stelle sich aber nur ein, wenn Ärzte Verantwortung im Unternehmen tragen, als Führungskräfte über Managementkenntnisse verfügen, flexible Gehälter – sprich: Gewinnanteile – enthalten und wenn sich die Ergebnisse von Ärzten und Arztgruppen vergleichen lassen, um damit die »Produktivität« zu erhöhen. Hä? Spätestens hier sollte bei 50 Millionen Deutschen das Hirn anspringen. Was stellt eine Firma wie Kaiser

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