Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport
Vorstandsmitglied für ambulant-stationäre Regelversorgung der Rhön-Klinikum AG ;
Bernhard Gibis
, Dezernent der kassenärztlichen Bundesvereinigung für Versorgungsqualität;
Günther Jonitz
, Präsident der Berliner Ärztekammer;
Otmar Kloiber
, Generalsekretär der Weltärztevereinigung;
Timm Volmer
, Direktor beim Pharmakonzern Wyatt;
Carola Reimann
, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD -Bundestagsfraktion;
Fanz Knieps
, inzwischen Mitarbeiter der Unternehmensberatung Wiese Consult;
Sabine Richard
von der AOK Berlin;
Thomas Ruprecht
, Projektmanager bei der Techniker Krankenkasse, und
Matthias Gruhl
, Abteilungsleiter beim Bremer Gesundheitssenator.
Bei diesem geballten Sachverstand dürfte die erarbeitete Vision wohl kein Trugbild bleiben. Zu viele Namen? Bleiben wir kurz bei den genannten zwei Professoren. Sie sind gute Bertelsmann-Bekannte. Beide haben 2004 in einem gemeinsamen Projekt der Stiftung und des Aqua-Instituts zusammen mit ihrem holländischen Kollegen Richard Grol das EPA entwickelt, ein europäisches Qualitätsmanagement- und Zertifizierungsverfahren für Arztpraxen. Es mag sich nicht massiv von anderen Prüfmethoden unterscheiden. Doch als einzigartig stellten die Autoren bereits vor sechs Jahren heraus, dass es den »Zugang zu einer kontinuierlich wachsenden Benchmarking-Datenbank« erlaubt, detailliert und anonym, versteht sich. Die Vergleichsdaten zeigen sofort Schwächen und Stärken jeder Praxis auf und weisen den Weg zur Optimierung der Abläufe. Sicher ist allerdings auch: Für individuelle Patienteninteressen haben betriebswirtschaftliche Kenngrößen nichts übrig.
Wer ihnen nicht folgt, dürfte aber kein Zertifikat erhalten.
Praxissiegel nennt es die Bertelsmann Stiftung. Eine von ihr gegründete »Stiftung« vergibt es. Wie hilfreich.
Das Aqua-Institut, 1993 von Wissenschaftlern der Universitäten Göttingen und Hannover gegründet, hat sich inzwischen gewaltig gemausert. Es ist (damit es – nomen est omen – stets »flüssig« ist?) nicht nur offizieller Partner der Bertelsmann Stiftung, sondern seit neuestem auch beauftragt, die Qualität im gesamten deutschen Gesundheitswesen zu sichern. Die Kontrolle erstreckt sich auf alle Krankenhäuser und sämtliche Arztpraxen. Untersucht werden die Behandlungsverläufe im Auftrag des Staates also durch ein privates Institut. Das Wettbewerbsstärkungsgesetz hat dies ermöglicht. Die Vorgabe: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G- BA ), in dem Krankenkassen, Klinikbetreiber und Kassenarztfunktionäre sitzen, sollen dieses Projekt an »eine fachlich unabhängige Institution« vergeben, die bereits Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt habe. Das Gremium hat das Aqua-Institut der BQS (Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung) vorgezogen. Diese von den Klinikträgern, den Krankenkassenverbänden und der Bundesärztekammer im Jahr 2000 gegründete Organisation hat fast ein Jahrzehnt lang die stationäre Behandlungsqualität geprüft, sechs Jahre im Auftrag des G- BA . Doch plötzlich war es nicht mehr gut genug. Ein Schelm auch hier, wer sich dabei was denkt.
Kaum hatte sich die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen selbst ein Bein gestellt, protestierten die Bundesärztekammer – sie saß nicht am Tisch, sondern die Kassenärztliche Bundesvereinigung – und die Krankenhausgesellschaft gegen den Beschluss. Doch der G- BA wusste, was er tat, denn im Vorfeld hatte der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen und Patienteninitiativen,
Gregor Bornes, vor der Entscheidung zugunsten Szecsenyis GmbH gewarnt:
»Wer hierfür den Zuschlag bekommt, wird in den nächsten Jahrzehnten bestimmen, was Qualität in der Gesundheitsversorgung ist.« Der Protest mündete in einem Gerichtsverfahren, das die Aqua-Gegner jedoch verloren. Inzwischen hat die Bertelsmann Stiftung auch erreicht, dass der G- BA von ihm erhobene Klinikqualitätsdaten an sie weiterleiten muss. Sie baut in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Selbsthilfeorganisationen, dem Forum chronisch kranker und behinderter Menschen im Paritätischen Wohlfahrtsverband, dem Sozialverband VdK und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen die sogenannte »Weiße Liste« auf, eine Internetplattform, die Kliniken nach ihren Versorgungsqualitäten beurteilt. Ziel: Wettbewerb.
Wer über alle Behandlungsdaten verfügt, und seien sie noch so anonym, kann also durchaus massiven Einfluss auf die Patientenströme nehmen. Prof. Gerlach ist mit der
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