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Kraut und Rübchen - Landkrimi

Kraut und Rübchen - Landkrimi

Titel: Kraut und Rübchen - Landkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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auf. Der Stuhl krachte polternd nach hinten. »Sie darf es nicht wissen. Und der Vater erst recht nicht.«
    »Weiß dein Liebchen es denn?«
    »Jakob ahnt es. Er hat …« Sie errötete, und ein kleines Lächeln streifte ihre Lippen. »Er hat es gespürt, als wir zusammen waren.«
    »Er liebt dich von Herzen, wie es scheint.« Vielen Männern würden die Veränderungen an Leib und Seele der Frauen nicht auffallen. Dass es bei Angerls Geliebtem so zu sein schien, zeigte, wie sehr er ihr zugetan war.
    »Ich liebe ihn auch. Aber wir dürfen nicht darauf hoffen, den Ehesegen zu bekommen.«
    »Jakob ist ein Habenichts?«
    »Er ist Knecht auf unserem Hof.« Wieder fing Angerl an zu weinen und schlug die Hände vors Gesicht. »Als er hörte, dass ich den Gregor heiraten soll, wollte er am liebsten sofort auf einen anderen Hof, statt auf den Wechsel der Dienstplätze zu warten, der erst Anfang Februar ist.«
    »Und der Gregor?«
    »Weiß von nichts.«
    »Wie lange trägst du dein Kind schon?«
    »Es ist jetzt das dritte Mal, dass die Blutung ausgeblieben ist.« Sie sah mich an. »Ich weiß, dass du Kräuter kennst, die mich davon befreien könnten. Aber deswegen bin ich nicht zu dir gekommen. Das Kind wird das Einzige sein, was mir von Jakob bleibt.«
    »Was willst du dann hier bei mir?«
    Sie sah mich lange schweigend an, stand schließlich auf und ordnete ihre Röcke. Da waren viele Worte in ihrer Miene und auf ihrer Zunge, die sie unausgesprochen ließ. Die ich erahnte und an ihren flehenden Augen ablesen konnte. Ohne ihren Verlobten und ohne Hochzeit wäre sie frei für Jakob, so hoffte sie, doch das war ein Trugschluss. Niemals würde man ihr den Knecht zum Ehemann geben. Vorher nähme man ihr das Kind und brächte es zu Zieheltern. Die Kinder solcher Eltern konnten von Glück sagen, wenn sie die ersten Lebensjahre überlebten und heranwuchsen. Engelmacher, so nannte man diese Leute. Natürlich legte niemand direkt Hand an die kleinen Würmchen, aber ein offenes Fenster über einem verschwitzten, freigestrampelten Kinderleib ließ mit der kalten Nachtluft auch eine Lungenentzündung ein, die die oft schlecht genährten Körper nicht überstanden.
    »Nichts, Hilda. Nichts«, sagte sie endlich. »Es gibt keinen Weg für mich und Jakob.« Es lag ein letzter Rest Hoffnung in ihrer Stimme und ihrem Blick.
    »Nein. Es geht nicht nach der Liebe, Angerl. Der Hof heiratet. Nicht du. Und wenn der Gregor dir ein guter Mann und deinem Kind ein guter Vater sein wird, sei froh und dankbar.« Ich erhob mich und ging in die Vorratskammer, um eine kleine Flasche zu holen. »Hier.« Ich reichte ihr das Fläschchen. »Es wird dich stärken und deinem Kind guttun.«
    Misstrauisch beäugte sie die dunkle Flüssigkeit.
    Ich lachte. »Keine Angst. Ich würde dir gegen deinen Willen nie etwas geben, was deinem Kind schadet. Für mich ist jeder kleine Erdenbürger ein Geschenk Gottes.« Ich drückte ihr das Fläschchen in die klammen Hände und schloss ihre Finger darum.
    Hätte ich geahnt, was geschehen würde, ich hätte nicht gezögert, ihrer stummen Bitte nachzugeben.
    Die Anrichte im Flur brummte wie eine gefangene Hummel, verstummte, summte wieder los. Mein Handy.
    »Ja?«, schnauzte ich in das Mikro. Ich hatte Björns Nummer erkannt und überhaupt keine Lust, mich mit ihm zu unterhalten. Weder über unseren »Konflikt«, wie er es gerne nannte, noch über das Fortschreiten der Arbeit am Artikel.
    »Wie geht es dir?« Heiter, freundlich, interessiert.
    »Ich recherchiere.« Mit der linken Hand schob ich das Tagebuch ein Stück von mir weg und trommelte darauf herum.
    »Aha.« Er atmete in den Hörer. Ich ließ ihn atmen. Wenn er dachte, ich würde vor ihm zu Kreuze kriechen, hatte er sich gründlich geirrt. »Also«, sagte er schließlich und räusperte sich, »wir hatten gerade Redaktionssitzung und haben beschlossen, dass wir deinen Artikel entweder bis zum Ende der Woche haben oder ihn auf unbestimmte Zeit verschieben müssen.«
    »Das habt ›ihr‹ beschlossen?« Ich verdrehte die Augen. Björn hatte die Angewohnheit, despotische Entscheidungen seinerseits mit dem Mäntelchen der Pseudodemokratie zuzudecken. Alle Sitzungen liefen nach dem gleichen Muster ab: Er schlug etwas vor, ein Thema, einen Schwerpunkt, eine besondere Herangehensweise. Dann diskutierten die Anwesenden die Brillanz der Idee und suchten nach Umsetzungsmöglichkeiten, die nicht immer leicht zu finden waren. Widerspruch entstand, wenn überhaupt, nur pro forma.

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