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Kreuz des Südens

Kreuz des Südens

Titel: Kreuz des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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handelte sich eher um die Sorte Phänomen, welches bei dem, der vorbeiging oder fuhr oder kurz stehen blieb, ein beunruhigendes, diffuses Gefühl von Disharmonie erzeugt, so als ob etwas nicht ganz passte.
    Doch jemandem mit geschultem Auge, der genauer hinsah, offenbarte sich das Problem sofort.
    »Großer Gott«, sagte West, hielt den Wagen mitten auf der Straße an und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. »Wow«, stimmte Brazil zu. »Der muss besoffen gewesen sein, als er das gebaut hat.«
    Die dunkelgrünen Fensterläden hingen schief in den Angeln. Der weiße Anstrich links von der roten Tür hatte einen anderen Ton als rechts. Der weiße Lattenzaun bot den schlimmsten Anblick, den West je gesehen hatte. Der Boden, auf dem er stand, war offensichtlich zu weich, die Stützpfosten waren entweder nicht weit genug in den Boden getrieben worden oder hatten kein Betonfundament. Sein Erbauer hatte wohl auch noch nie etwas von einem Lot gehört, sämtliche Latten waren schief und krumm. Die Pfosten waren oben nicht abgeschrägt, sodass das Wasser darauf stehen blieb und das Holz zu verrotten begann. Die Querstangen des schlecht schließenden Tores gingen auf der einen Seite aufwärts, auf der anderen Seite abwärts. Die Zaunlatten hatten unterschiedliche Abstände wie schlechte Zähne.
    Offenbar hatte derselbe wohlmeinende, aber irregeleitete Baumeister auch seine Garage erweitert, indem er einen selbstgebastelten Schuppen angebaut hatte, der sich nach Norden neigte und den Schluss nahe legte, dass die druckimprägnierten Pfosten nicht bis unter die Frostgrenze ins Erdreich versenkt worden waren und der Anbau im Winter seine Lage verändert hatte. Nichts war, wie es sein sollte. Die Dachschindeln waren nicht ausgerichtet, die Fensterstöcke hatten verschiedene Größen, der Brunnen im Steingarten vor dem Haus war trocken, das Fischgrätmuster der Gartenbank neben dem halb zusammengefallenen Grill aus Klinkern war das reine Chaos. Vorm Waldrand befand sich ein lang gestreckter Zwinger aus ausgebeultem, schlaff herabhängendem Maschendraht, darin saß auf einem Faß ein kurzhaariger Jagdhund und jaulte. West fuhr in die Einfahrt hinein, eine alte Tankstellenglocke verkündete Mr. Fluck, dass er Besuch hatte. In einem Fenster bewegte sich ein Vorhang, und fast unmittelbar danach trat ein Mann aus dem Haus. Er war extrem dick, hatte kaum noch Haare; sein runder Kopf und die kleinen Augen schienen zu einem freundlichen Gesicht zu gehören, das jedoch keines war. Mr. Fluck sah deprimiert und vom Verlust gezeichnet aus, als wäre ihm gerade seine Frau davongelaufen; oder eben zurückgekehrt, je nachdem, wie sie zueinander gestanden hatten.
    »Ohoh«, sagte Brazil und löste seinen Sicherheitsgurt.
    »Ach, du liebe Zeit«, sagte West.
    Bubba folgte dem unebenen gepflasterten Weg aus Ziegelsteinen zu der Einfahrt, in die der zivile weiße Chevrolet Caprice eingebogen war. Zerplatzte Träume, die Ungerechtigkeit des Schicksals und das böse Karma verdunkelten sein Gemüt. Sein Vater, Reverend Fluck, hatte Bubbas Vorliebe für Waffen stets missbilligt, Bubba verdächtigte ihn, dass er für einen Vorfall wie diesen gebetet hatte. Es war viel zu auffällig, dass fast nur Waffen gestohlen worden waren. Sein teures Werkzeug war zurückgelassen worden. Der Dieb hatte nicht versucht, in Bubbas Haus oder Honeys Kombi einzubrechen. Aus dem Caprice stieg ein gut gebauter blonder Mann in Uniform. Der Fahrer war eine Frau in Zivil, eine Detektivin, wie Bubba vermutete. Sie kamen auf ihn zu, aus dem Wagen drang Radio und Polizeifunk. »Sind Sie Mr. Fluck?«, fragte die Frau.
    »Ja«, sagte er. »Gott sei Dank sind Sie gekommen. Das ist das Schlimmste, was mir je passiert ist.«
    »Ich bin Deputy Chief Virginia West, und dies ist Officer Andy Brazil«, sagte West.
    Bubba begann sich besser zu fühlen. Er seufzte. Die Polizei hatte die stellvertretende Polizeichefin geschickt. Das musste Chief Hammers Veranlassung sein. Sie kümmerte sich um Bubba, irgendetwas hatte sie berührt, genauso wie ihn, ihre Schicksale waren nun miteinander verflochten. Chief Hammer wusste, dass Bubba ein entsetzliches Unrecht zugestoßen war.
    »Ich begrüße es sehr, dass Chief Hammer Sie angerufen hat«, sagte Bubba.
    Beide Polizisten sahen sich mit fragenden Augen an. »So war es doch, nicht wahr?« Bubbas Glaube geriet ins Wanken. »Gerade eben, als ich neun eins eins gewählt habe.«
    »Eigentlich.«, Brazil zögerte. »Nun, ja. Woher wissen Sie, dass sie

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