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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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heller, weil der Wind
auffrischte. Die Kronen der Bäume über ihr fingen an, sich zu bewegen, und
rauschten wie das Meer. So laut, dass selbst die Musik aus dem Golgatha nicht
mehr zu hören war, und auch die Schritte nicht, die sich ihr rasch näherten.
    Festes
Schuhwerk, ein Kerl – Giulia bemerkte ihn erst, als es zu spät war, denn
schon hatte er sie gepackt. Giulia wollte schreien, aber es ging nicht. Sie war
viel zu erschrocken. Sie öffnete den Mund, aber da kam nichts. Kein Laut,
absolute Stille! Scheiße!
    Der Mann
sagte etwas zu ihr: »Was machst du hier so allein«, oder so was in der Art, und
er war so nah, dass sie seinen Atem spürte.
    Giulia
bekam panische Angst.
    Ich kann
nicht schreien, dachte sie verzweifelt, oh Gott, der Golgatha-Arsch ist da, und
ich kann nicht schreien! Ich kann die Mädels nicht rufen. Ich krieg keinen Ton
hervor, verdammt! » WARUM KANN ICH NICHT SCHREIEN? «
    Ihre Stimme
gellte durch den nächtlichen Park. Es geht wieder, jubilierte Giulia innerlich,
meine Stimme ist wieder da.
    » HILFE «,
schrie sie, so laut sie konnte. »Hilfe, Scheiße, RETTET
MICH !«
    Der Kerl
wollte ihr den Mund zuhalten, aber sie wehrte sich, kratzte ihn und biss und
trat. Und dann fielen beide auf den Boden, der Kerl auf sie drauf, aber Giulia
schrie. Sie hörte nicht auf zu schreien.
    Wo blieben
nur die Mädels? Verdammt, wo steckten sie nur?
    Giulia
kreischte, quietschte und brüllte.
    Sie schrie
um ihr Leben!
    Und dann
waren sie endlich da. Janis und Peggy rissen den Kerl von ihr weg und brüllten:
» RACHE FÜR ANNIKA «, bevor sie ihn mit ihren
Baseballschlägern zusammenhauen wollten.
    Doch
plötzlich erstarrten sie.
    Der Typ lag
noch immer am Boden. Aber er hatte eine Pistole auf sie gerichtet.
    »Aufhören«,
sagte er nur. »Sonst knallt’s!«
    Die Mädchen
wichen erschrocken etwas zurück.
    »Scheiße«,
flüsterte Peggy, »der Mistkerl hat eine Waffe!«
    »Ja, und
ich trage sie auch nicht ohne Grund.« Der Typ richtete sich auf, ohne die Waffe
sinken zu lassen. »Schläger weg!«
    Die Mädchen
ließen ihre Baseballschläger fallen.
    »Gut.« Der
Mann lächelte. Im schwachen Nachtlicht schimmerten seine Haare seltsam hell.
    Hellgrau,
dachte Giulia, vermutlich ist er blond, aber jetzt sehen die Haare aus wie
hellgrau. Nachts gibt’s keine Farben. Nachts gibt’s nur den Tod.
    »Was wollen
Sie von uns?«, fragte Janis ängstlich. »Was haben Sie vor?«
    »Eigentlich
wollte ich euch beschützen.« Der Mann lachte auf. »Aber das könnt ihr ja
offenbar viel besser.« Er zog eine kleine Polizeimarke hervor. »Ich bin
Oberkommissar Schmittke. Ich ermittle hier wegen dem Golgatha-Täter.«
    Die Mädchen
starrten ihn an. Es dauerte, bis ihre Angst der Erleichterung wich.
    »Sie sind
Polizist?«
    »Ja.«
Schmittke sicherte seine Waffe und schob sie wieder zurück ins Holster. »Ich
sah die Kleine«, er zeigte auf Giulia, »hier herumspazieren und dachte, ja, ist
die denn völlig verrückt und angstfrei … Ich wollte sie aus dem Park
rausbringen, bevor ihr was passiert – und plötzlich taucht ihr hier als
bewaffnete Leibgarde auf.« Er schüttelte die hellen Haare und sah die Mädchen
missbilligend an. »Was soll das werden? Lynchjustiz?«
    »Wir dachten,
Sie sind das Schwein.«
    »Ich bin es
aber nicht.« Schmittke klopfte sich den Staub von der Jacke. »Und wäre ich
nicht bewaffnet gewesen, hättet ihr mich totschlagen können.« Er atmete tief
durch und fügte streng hinzu: »Einen Unschuldigen. Denkt mal darüber
nach! – Und jetzt verpisst euch!«
    Die Mädchen
trotteten davon wie begossene Pudel. Ihre Baseballschläger ließen sie liegen.

34    DIE MÄNNER kommen im Morgengrauen.
    Um sechs
Uhr klingeln sie Sturm an meiner Tür. Monika, die bei mir übernachtet hat, ist
völlig verstört, denn die zwei unauffälligen Herren in Kordanzügen benehmen
sich, als sei ich verhaftet.
    »Hans
Dieter Knoop? – Kommen Sie bitte mit. Und zwar zügig. Wo ist Ihre
Dienstwaffe?«
    »Im
Nachttisch«, erkläre ich schlaftrunken, worauf die Herren das gute, noch aus
der Gründerzeit stammende Möbel brutal aufbrechen wollen, denn natürlich habe
ich meine Waffe vorschriftsmäßig eingeschlossen.
    »Sind Sie
wahnsinnig«, gehe ich dazwischen, »warten Sie doch, bis ich Ihnen den Schlüssel
gegeben habe.« Leider finde ich ihn nicht sofort, was das Ende meines
Nachttischchens besiegelt. Die Kordanzugträger prüfen meine Waffe, sichern und
entsichern sie und nehmen sie dann plus zugehöriger

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