Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
und Cornelius erzählte von den Forschungen, die Bartholomé auf den Inselvulkanen vorgenommen hatte.
Als sie wieder ins Haus traten, war Besuch eingetroffen. Maddy verschwand sogleich mit Antonia in deren Zimmer und half ihr, ein präsentableres Kleid anzuziehen und die zerzausten Locken zu entwirren. Als sie nach unten ging, fand sie die Gesellschaft bei echtem Kaffee und feinem Gebäck im Salon sitzen. Der Herr mit dem langen, gelockten schwarzen Bart stand auf und lächelte sie freundlich an. Mit tonloser, heiserer Stimme sagte er: »Sie sind eine blühende Erscheinung, wie der junge Sommertag, meine Liebe. Setzen Sie sich zu uns. Wie ich hörte, fachsimpeln Sie ebenso gerne wie Ihr Vater und Ihr Bruder.«
»Ich wurde bereits Blaustrumpf geschimpft, und man unterstellt mir Wirrnis im Kopf, Herr Raabe.« Antonia hatte Valerian Raabe, den Geschäftsmann, Kunstsammler und Altertumsforscher schon zwei Mal bei Waldegg getroffen und mochte ihn sehr. Er bewies eine tolerante Auffassung, was die Bildung von Frauen anbelangte. Diesmal hatte er etwas zur Begutachtung mitgebracht, und sie bestaunte den prachtvollen Einband des Buches auf dem Teetisch.
»Eine Neuerwerbung?«, fragte sie.
»Ja, ein Kleinod, das mir in Paris in die Hände gefallen ist.«
Edelsteine funkelten in den zierlich gearbeiteten Beschlägen des alten Folianten. Mit vorsichtigen Fingerspitzen fuhr Antonia darüber. Sie bemerkte, dass Cornelius sie überrascht beobachtete.
»Sie dürfen es gerne öffnen, Fräulein Antonia.«
Sehr sorgsam löste sie die Schnalle, mit der der Einband geschlossen war, und schlug wahllos eine Seite auf.
»Oh... oh, ist das schön!«
Vergnügen funkelte in Raabes Augen, als er sie fragte: »Nun, für was halten Sie es?«
»Die Schrift kann ich nicht entziffern, aber die Miniaturen scheinen aus der niederländischen Schule zu stammen. Spätes Mittelalter. Ein Evangeliar? Diese Blütenranken! Man könnte die Blumen fast mit den Fingern abheben.«
»Sie sind exquisit, und Sie haben völlig Recht, es ist ein Evangeliar aus Gent, vermutlich von Meister Jakob.«
»Woher weißt du so etwas, Toni?« Cornelius schien noch immer erstaunt.
»Ich habe eine Zeitlang in einem Antiquariat gearbeitet. In Darmstadt. Der Buchhändler hat mir manchmal etwas erklärt. Wenn ich ihm allzu sehr mit meinen Fragen auf die Nerven gegangen bin. Damals kamen viele alte Handschriften auf den Markt. Diese hier stammt sicher aus einem Kirchenarchiv, nicht wahr, Herr Raabe?«
»Sie stammt aus der Dombibliothek«, erklärte Waldegg mit Bestimmtheit. »Ich habe sie schon früher einmal gesehen, und ich werde umgehend in den Katalogen nachschlagen. Hoffentlich ist sie inventarisiert worden.«
»Sie wollen sie mir abschwatzen, Waldegg?«
»Kaum, für mich als Privatmann wäre sie unerschwinglich.«
»Ich habe sie recht günstig erworben.«
»Entschuldigen Sie, Herr Vater, dass ich so dumm frage. Aber sind die kostbarsten Teile des Domschatzes nicht nach Arnsberg gebracht worden? Wieso taucht diese Handschrift denn in Paris auf?«
»Kind, Kind! Der Domschatz ist viele wunderliche Wege gegangen. Zum einen waren wir gezwungen, einen Teil davon zu verkaufen, zum anderen ist es uns damals in der Eile nicht gelungen, alles fortzuschaffen. Dieses Buch mag sogar eines sein, das hier in Köln geblieben ist.«
Valerian Raabe ergänzte: »Als 1794 die Franzosen kamen, hatten sie einige Kunstsachverständige dabei, die gezielt nach wertvollen Kunstwerken suchten. Ich selbst habe mich mit den Volksrepräsentanten Jaubert und Hausmann angelegt. Sie mochten es ja damit begründen, die Kunst gehöre dem Volke und nicht der Kirche, aber für mich sah es bedenklich nach Kunstraub aus, was diese Repräsentanten des Volkes taten.«
»Die besten Stücke schickten sie nach Paris, ganze Wagenladungen voll mit Gemälden, Pergamenten, Preziosen. Ich erinnere mich daran«, fügte Cornelius hinzu.
»Nicht alles landete im Museum, vieles kam in Paris in private Hände. Darüber bin ich an diese Handschrift geraten.«
Waldegg sah versonnen drein, dann fragte er: »Könnten auch die Dompläne nach Paris gelangt sein? Sie wissen doch, dieser große Fassadenriss, den ich einst bei einer Logensitzung zeigte. Ihn wiederzubekommen würde dem Vorhaben, den Dom fertigzustellen, sehr förderlich sein.«
»Sie lassen nicht locker, Domherr, was? Schon damals haben Sie mit Feuereifer ihr Anliegen vertreten.«
Waldegg hob die Schultern. »Sehen Sie, ich habe wenig genug aus
Weitere Kostenlose Bücher