Krieg der Seelen: Roman (German Edition)
öffnete die Augen und fand sich mit dem Kopf nach unten an der Decke hängend wieder, in einem dunklen Raum, in dem es ein rotes Glühen gab. Ein schwacher Geruch von Kot und verkohlendem Fleisch ließ kaum Zweifel daran, wo sie sich befand. Sie fühlte sich elend. Die Wahrheit lautete: Trotz allem, trotz ihrer besten Absichten, trotz ihres täglich erneuerten Versprechens, hatte sie Hoffnung verspürt. Sie hatte gehofft, dass ihr eine Rückkehr in die Hölle erspart blieb, dass sie stattdessen eine neue Inkarnation in der Realität des Refugiums erfuhr und noch einmal als Novizin begann, oder als etwas noch Bescheideneres. Sie hatte auf ein Leben mit nicht mehr als einer durchschnittlichen Menge an Schmerz und Herzeleid gehofft.
Noch immer langsam erwachend sah sie sich um. Sie richtete den Blick nach oben, was eigentlich unten war, betrachtete ihren Körper und stellte fest, dass sie sich in ein großes, dunkles, geflügeltes Wesen verwandelt hatte. Ihre Füße waren zu Klauen geworden, groß genug, eine ganze Person zu packen. Chay breitete ihre vorderen Beine/Arme/Flügel aus. Sie öffneten sich leicht und zielstrebig, ragten weit nach beiden Seiten. Geeignete Gliedmaßen, um die Luft zu erklimmen. Gliedmaßen, um den Wind zu ergreifen. Sie faltete sie wieder, schien sich selbst zu umarmen.
Schmerz fühlte sie keinen. Sie befand sich an einem dunklen Ort, der nach der Hölle roch– und sie merkte, dass ihr Geruchssinn besser war als vorher, breiter und empfindlicher, genauer und differenzierter–, aber es gab keine Qualen für sie. Ihre Füße schienen sich auf natürliche Weise an dem festzuhalten, was ihnen Halt bot, ohne bewusste Absicht und ohne erkennbare Anstrengung. Chay schloss die Fußklauen fester um das Etwas– es fühlte sich nach einer Eisenstange an, dick wie das Bein einer Person–, bis sie ein wenig schmerzten. Daraufhin lockerte sie den Griff wieder. Sie öffnete den Mund, den Mund eines Predators, darin eine lange, spitz zulaufende Zunge. Versuchsweise biss sie mit ihren spitzen Zähnen hinein.
Das tat weh. Sie schmeckte Blut.
Chay schüttelte den breiten, übergroßen Kopf und stellte fest, dass sie alles durch Membranen über ihren Augen gesehen hatte, durch Membranen, die sich zurückfahren ließen. Ihr Wille forderte sie auf, die Augen freizugeben.
Sie hing im Innern von etwas, das eine riesige hohle Frucht zu sein schien, von Adern durchzogen und sehr organisch wirkend, und mit einer dicken Eisenstange, die von einer Seite zur anderen reichte und allein dem Zweck zu dienen schien, dass sie daran hängen konnte. Chay löste zuerst den einen Fuß und dann den anderen, um sicher zu sein, dass sie nicht festgebunden war. Jeder Fuß und jedes Bein schien in der Lage zu sein, ihr ganzes Gewicht zu tragen. Sie war stark, begriff sie. Ihre Flügel falteten sich wieder– Chay merkte erst jetzt, dass sie sich ausgebreitet hatten. Ein Instinkt, vermutete sie.
Unter ihrem Kopf, als sie richtig nach unten sah, bemerkte sie eine gekräuselte Öffnung, die sie auf unangenehme Weise an einen Sphinkter erinnerte. Jenseits davon erkannte sie rötliche Wolken. Sie würde die Schwingen halb zusammenfalten müssen, dachte sie, als sie die Öffnung sah.
Chay fühlte ein sonderbares Verlangen und den unwiderstehlichen Drang zu fliegen.
Sie öffnete die Greifklauen der Füße und ließ sich fallen.
Wieder an Bord der Kurier der Wahrheit, die nach Vebezua zurückkehrte, saß Veppers an einem beeindruckend großen runden Tisch, zusammen mit Bettlescroy, den anderen GFKF ianern, die ihn bei seiner Ankunft begrüßt hatten, und mehreren Projektionen, Hologrammen jener, die nicht physisch präsent sein konnten. Selbst in diesem Fall gab es keine externe Signalübertragung. Die betreffenden Personen befanden sich in irgendeiner Form an Bord; ihre Persönlichkeiten wohnten in den Substraten des Schiffes. Es betonte den Sicherheitsaspekt. Bis auf eins zeigten alle Hologramme kleine, ätherische GFKF ianer.
Die einzige Ausnahme war die dreidimensionale Darstellung eines weiteren Panmenschen, eines uniformierten Mannes namens Raummarschall Vatueil. Er war groß und grauhaarig, wirkte sowohl fremd als auch durch und durch panmenschlich. Veppers hielt den Brustkasten für zu groß, den Kopf für zu lang und das Gesicht für zu zart. Offenbar handelte es sich um einen Helden, der am Krieg im Himmel teilgenommen und sich dabei in der militärischen Hierarchie nach oben gearbeitet hatte. Veppers hatte nie von dem
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