Krieg der Seelen: Roman (German Edition)
gekommen wäre.
Sie fanden ihn schließlich, wie von ihm erwartet. Er hatte damit gerechnet, dass es ihnen schließlich gelingen würde, ihn zu lokalisieren. Repräsentant Filhyn, ihr Berater Kemracht und die anderen– viele andere; es war eine recht große Sache geworden– hatten alles getan, was sie tun konnten, um seine Sicherheit zu gewährleisten, ihn vor Einmischung und Versuchung zu schützen. Sie hatten ihn nach der Anhörung, bei der er gesprochen hatte, aus dem Parlamentsgebäude verschwinden lassen, und während der folgenden Wochen war er nie länger als einen Tag am selben Ort geblieben. Er hatte praktisch jede Nacht woanders geschlafen.
Er war in Wolkenkratzer-Apartments untergebracht worden, die Sympathisanten gehörten, in billigen Hotels in der Nähe von lauten Superhighways, in Hausbooten auf seichten Seen und, für die letzten beiden Nächte, in einer alten Ferienanlage in den Bergen, die vor Jahrhunderten Angehörigen der Oberklasse im Sommer als grünes, schattiges Urlaubsdomizil gedient hatte. Eine kleine Schmalspurbahn hatte ihn dorthin gebracht, ihn, seine beiden unmittelbaren Begleiter und ein Team aus weniger offensichtlichen Helfern und Wächtern, die ihm überallhin folgten.
Die Lodge befand sich auf einem Felsvorsprung und bot ungehinderten Blick über das Meer aus Bäumen, das sich bis zum Horizont erstreckte. An klaren Tagen, so hieß es, konnte man die Ebene sehen, und sogar einige Stufentürme der nächsten Stadt. Aber nicht bei diesem Wetter: Der Himmel war bedeckt, und Dunst hing in der Luft. Manche Wolken senkten sich so weit herab, dass sie an der Lodge vorbeidrifteten und bestrebt zu sein schienen, den Felsvorsprung in einen weißgrauen Schleier zu hüllen.
Am Morgen hatten sie den Weg zu einer anderen Lodge für Reisende fortsetzen wollen, aber in der Nacht war es zu einem Erdrutsch gekommen, der die Straße blockierte, und deshalb wurde beschlossen, den neuerlichen Ortswechsel auf den nächsten Tag zu verschieben.
Prin war, wenn auch widerstrebend, zu einem Star geworden. In dieser neuen Rolle fühlte er sich nicht sonderlich wohl. Die Leute wollten ihn. Sie wollten ihn interviewen, seine Meinung ändern und ihm zeigen, dass er sich irrte. Sie wollten ihn unterstützen oder verurteilen, ihn retten oder töten. Sie wollten ihm helfen oder ihm Hindernisse in den Weg legen. Vor allem aber wollten sie Zugang zu ihm, damit sie ihre Pläne verwirklichen konnten.
Prin war Akademiker, ein Juraprofessor, der sein Leben Theorie und Praxis des Gesetzes gewidmet hatte. Die theoretische Seite bestimmte sein Berufsleben, und der praktische Teil hatte dafür gesorgt, dass er sich für gute Sachen einsetzte, an Campus-Protesten teilnahm, bei semilegalen Netz-Publikationen mitwirkte und sich schließlich bereitfand, die Hölle zu infiltrieren, deren Existenz entweder abgestritten oder aber, mit der dahintersteckenden Idee, halb eingeräumt wurde als ein Mittel, jene zu strafen, die Strafe verdienten. Die Hölle war immer für die anderen bestimmt.
Prin hatte einen Teil der scheußlichen Realität dieser Hölle aus illegal verbreiteten Berichten gekannt und zusammen mit seinen Juniorkollegen beschlossen, von Chay begleitet die Hölle aufzusuchen, um einen direkten Eindruck von ihr zu gewinnen und mit der Wahrheit zurückzukehren. Von dem Umstand, dass Chay und er nicht die erste Wahl für eine solche Mission waren, erhofften sie sich mehr Glaubwürdigkeit, sobald sie Gelegenheit fanden, ihre Geschichte zu erzählen. Sie wollten nicht im Mittelpunkt stehen, hatten es nicht auf Ruhm abgesehen. Sie waren keine Journalisten, die versuchten, einen Coup zu landen. Weder Chay noch er selbst suchte nach der Aufmerksamkeit, die ihnen ein solches Unterfangen einbringen würde.
Und dann– nach der Ausbildung, die für sie vor allem darin bestanden hatte, möglichst viel über das Thema zu lesen, wohingegen andere Mitglieder ihrer kleinen subversiven Zelle auch auf psychologischer » Abhärtung« bestanden, wobei es um Erfahrungen mit jenen Dingen ging, die sie anzuprangern gedachten– waren Chay und er zu einem Paar geworden. Das hatte alles ein wenig komplizierter gemacht, aber sie hatten darüber gesprochen und waren zu dem Schluss gelangt, dass es ein Vorteil für sie sein konnte: Es schweißte sie als Einsatzteam noch enger zusammen, als wenn sie nur Kollegen und Freunde gewesen wären.
Mit einer Mischung aus Verlegenheit, Zuneigung und Bitterkeit blickte Prin auf die Vorbereitungen und
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