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Krieg der Seelen: Roman (German Edition)

Krieg der Seelen: Roman (German Edition)

Titel: Krieg der Seelen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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geantwortet. Wie unhöflich! Yime dachte daran, dass ihr vielleicht nichts anderes übrigblieb, als Mr. Costrile von seinem Posten entfernen und sich selbst als seine Nachfolgerin bestimmen zu lassen.
    Hundertfünfundzwanzig, hundertsechsundzwanzig… Sie hatte fast die übliche Anzahl der morgendlichen Bürstenstriche erreicht. Yimes Haar war dicht, glänzend und braun, und sie trug es im » Augenschnitt«: Selbst wenn die Haare auf ihrem Kopf nach vorn gekämmt wurden, jedes einzelne von ihnen war so lang oder kurz, dass es ihr nicht in die Augen geriet oder ihr Blickfeld irgendwie einschränkte.
    Ein akustisches Signal von ihrem Terminal in Form eines einfachen Stifts auf dem Tisch unterbrach ihre Überlegungen. Mit einem würdelosen Ruck in ihrem Innern begriff Yime, dass der besondere Ton des Terminals auf eine Nachricht von Quietus hinwies.
    Vielleicht wartete echte Arbeit auf sie.
    Trotzdem brachte sie die letzten beiden Bürstenstriche zu Ende, bevor sie sich meldete.
    Man brauchte Regeln.

4
    I m Tal 308, das zum Dreifach Geschundenen Fußspur-Distrikt der Pavuleanischen Hölle gehörte, Ebene drei, gab es eine alte Mühle mit einem übergroßen externen Rad, von Blut angetrieben. Es gehörte zur Strafe einiger virtueller Seelen an diesem Ort, dass sie jeden Tag reichlich bluteten, so lange, wie es ihnen möglich war, ohne das Bewusstsein zu verlieren. Viele Tausende dieser Unglückseligen bluteten während jeder Phase, von grotesk aussehenden, unwiderstehlich mächtigen Dämonen aus den nahen Pferchen gezerrt und auf schräge Eisentische mit Abläufen an den Füßen gebunden. Diese Tische waren in eng geschlossenen Reihen angeordnet, an den steilen Hängen eines trockenen Tals, das, wie der Blick von oben gezeigt hätte, Teil eines Höhenrückens war, der zusammen mit anderen einen wahrhaft gewaltigen Fußabdruck bildete. Deshalb der Name des Distrikts.
    Die einst sehr wichtige Person, der die geschundene Gliedmaße gehörte, lebte in gewisser Weise noch und litt jeden verstreichenden Moment daran, dass ihr die Haut abgezogen wurde. Sie litt auch in einem erweiterten Sinn, weil ihr Pelz so übertriebene Ausmaße hatte, dass ein einzelner Höcker an ihren Füßen– beziehungsweise Tatzen; in Hinsicht auf die korrekte Bezeichnung gab es einen völlig unbedeutenden Streit– inzwischen groß genug war, um einen Teil der Landschaft zu bilden, in denen so viele ihr Leben nach dem Tod verbrachten und die für sie bestimmten zahlreichen Qualen erlitten.
    Das Blut von den Eisentischen strömte klebrig durch Röhren und Rinnen zum Flussbett, wo es sich sammelte und hangabwärts floss, wie es in der Natur von Flüssigkeiten lag, auch in ganz und gar virtuellen Welten. Es floss, schneller und mit mehr Nachdruck– das Blut der vielen, die dem Fluss Tribut zollten–, in einen tiefen, breiten Teich. Auch dort, an die synthetischen Regeln der Hölle gebunden, weigerte es sich zu gerinnen. Vom Teich aus führte ein Kanal zum Rad der Mühle.
    Das Rad bestand aus vielen, vielen alten Knochen, längst gebleicht vom Säureregen, der alle paar Tage fiel und eine zusätzliche Heimsuchung für die Leute in den Pferchen stromaufwärts darstellte. Es drehte sich auf Lagern aus Knorpeln, durchsetzt von den Nerven weiterer Verdammter, deren Körper in die Struktur des Gebäudes integriert waren– jede knarrende, stöhnende Drehung des Rads brachte unerträglich scheinende Agonie. Andere Leidende schufen die Dachschindeln mit ihren überdimensionierten und schmerzhaft sensibilisierten Nägeln, oder die dünnen Wände der Mühle mit ihrer qualvoll gedehnten Haut, oder die Tragholme mit ihren protestierenden Knochen, oder die knirschenden Zahnräder und Ritzel, jeder Zahn so schmerzhaft, als wäre die Wurzel vereitert, die Knochen der Wellen und Schäfte so voller Pein, dass sie geschrien hätten, wenn jemand bereit gewesen wäre, ihnen eine Stimme zu geben.
    Ein ganzes Stück dahinter, unter einem brodelnden dunklen Himmel, erreichte der Fluss ein großes Blutmoor, wo Leidende wie Bäume verwurzelt bei jedem Säureregen und mit jedem Schwall im Blut ertranken.
    Die meiste Zeit über machte die Mühle nicht einmal Gebrauch vom Blut, das sich im Teich sammelte. Es strömte einfach weiter, über den Überlauf, zurück ins Flussbett und zum Blutmoor unterm finsteren Himmel.
    Außerdem trieb die Mühle auch gar nichts an. Die wenige Energie, die sie produzierte, wenn sie zu funktionieren geruhte, wurde für die Vergrößerung der Qualen

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