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Krieg der Seelen: Roman (German Edition)

Krieg der Seelen: Roman (German Edition)

Titel: Krieg der Seelen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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der Hölle, beobachtete und wurde beobachtet, sogar verehrt. Es wunderte sie nicht, dass sie Teil der Mythologie dieser künstlichen Welt geworden war. Wenn sie immer noch eine verlorene Seele gewesen wäre, unterwegs durch stinkenden Morast und verbrannte Wälder, über geborstene Betonpisten und von Explosionen zerrissene, mit Asche bedeckte Hügel, so traumatisiert, dass sie den Glauben an die andere, reale Welt verlor, aus der sie stammte… Dann hätte auch sie so etwas wie das verehrt, was sie jetzt war. Dann hätte sie zu dem Engel des Todes gebetet, der Befreiung von all den Qualen versprach.
    Sie war überall in der Hölle unterwegs gewesen, hatte ihre viele Tagesflüge entfernten Grenzen erkundet und mit den Krallen an den dortigen eisernen Mauern gekratzt, die endlos zu sein schienen und doch darauf hinwiesen, dass die Hölle ein endlicher Ort war, ein Ort mit Grenzen, so weit entfernt sie auch sein mochten.
    Chay entwickelte eine mentale Karte dieser Welt. Hier erstreckten sich die verbrannten Ebenen, giftigen Sümpfe, öden Wüsten, dampfenden Moore, bleichen Salzpfannen, alkalischen Seen, Teiche aus Säure, blubbernden Schlammkrater und gesinterten Lavaströme inmitten all der anderen Schreckenslandschaften dieses schrecklichen Ortes. Hier waren die hohen Gipfel eisenhart gefrorener Berge, ihre Gletscher rot von Blut. Hier war das die Hölle umgebende Meer, dessen Wellen an die Grenzmauern schlugen und in denen hungrige Ungeheuer auf Opfer warteten.
    Hier war die große Klappentür, durch die neue Sünder kamen. Hier waren die Straßen, über die die großen Transporter mit den Toten und Sterbenden rumpelten und ihre grässliche Fracht bei den Gefängnissen, Lagern, Fabriken und Baracken ablieferten. Hier schufteten die Verdammten in den Munitionsfabriken, stapften durch Ruinen und Wildnis oder kämpften in dem immerwährenden Krieg, in dem jeden Tag Zehntausende auf beiden Seiten starben, die anschließend wiedergeboren wurden, um erneut zu kämpfen.
    Denn es gab zwei Seiten in der Hölle, obwohl es schwerfiel, einen Unterschied zwischen ihnen festzustellen, wenn man plötzlich die eine Seite verlassen und sich auf der anderen wiedergefunden hätte. Die Unglücklichen, die in die Hölle kamen, wurden beiden Seiten zugeteilt, normalerweise jeweils zur Hälfte, bevor sie diesen Ort erreichten.
    Es gab zwei große Türen– die nur Einlass gewährten; man konnte die Hölle nicht durch sie verlassen–, zwei große, mit krummen Rücken und gesplitterten Knochen gepflasterte Straßen, zwei Systeme aus Gefängnissen, Fabriken, Lagern und Baracken, zwei dämonische Hierarchien und– was Chay nicht überraschte– zwei gewaltige Dämonenkönige. Sie kämpften um den zentralen Bereich der Hölle, warfen ihre Streitkräfte mit irrem Genuss in die Schlacht und scherten sich nicht darum, wie viele Soldaten starben, denn schließlich konnten sie innerhalb weniger Tage wiedererweckt werden, auf dass sie neue Strafe erfuhren.
    Wenn eine Seite doch einmal stärker werden sollte als die andere, einfach durch Glück oder weil die Oberkommandierenden zufälligerweise die richtigen Entscheidungen getroffen hatten, bekam die schwächere Seite zusätzliche Rekruten, indem eine der beiden Zugangstüren geschlossen wurde, was eine Aufteilung der Neuankömmlinge verhinderte und das Gleichgewicht wiederherstellte.
    Chay stellte sich das Tor, durch das Prin und sie gekommen waren, aus keinem besonderen Grund als Osttor vor. Sie hatten sich also auf der östlichen Seite befunden, aber im Wesentlichen waren beide Seiten der Hölle, der Osten wie der Westen, gleich beschaffen. Was das ungeheure Ausmaß der Grässlichkeit anging, gab es keine nennenswerten Unterschiede. Zumindest aus einer gewissen Entfernung gesehen. Im Westen war Chay nicht willkommen; kleinere geflügelte Dämonen kamen und belästigten sie, wenn sie zu weit über die Frontlinie des ewigen Kriegs hinausflog. Entweder hielt sie sich von den entsprechenden Regionen fern, oder sie musste so hoch fliegen, dass sie tief unten keine Details mehr erkennen konnte.
    Dennoch war sie geflogen, um das Westtor zu sehen. Hoch über den Wolken des westlichen Hinterlands hatte sie sich im Wind treiben lassen und war gelegentlich sogar auf zerklüfteten Felsen und eisigen Berggipfeln gelandet, in den meisten Fällen nur für einige wenige Minuten, weit entfernt von den Kämpfen und der größten Anzahl feindlicher Dämonen.
    Ob im Westen oder im Osten, sie blickte von den hohen

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