Krieg im Himmel
Auch in mir war es kalt und leer. Ich fühlte mich wieder wie in der Zeit vor all diesen Ereignissen, nur dass ich nicht mehr glaubte, dass die Senso-Kabinen mir jetzt noch Erleichterung verschaffen konnten.
»Tut mir echt leid, Mann …«, sagte Mudge.
»Nicht jetzt.« Dann wurde mir klar, was er gesagt hatte. »Oh.« Mudge zeigte Mitgefühl! Es wurde Zeit, ein Lotterielos zu kaufen.
»War es eine schlimme Nacht?«
»Ja, ich denke schon. Aber es war nicht das Schlimmste, was ich je erlebt habe. Ich hab einfach nicht nachgedacht. Ich war noch nie in einer solchen Situation.«
»Ich kann mir ungefähr vorstellen, wie es dazu gekommen ist, aber sie wird es nie akzeptieren. An deiner Stelle würde ich in nächster Zeit auf jede Netz-Trance verzichten. Ich persönlich glaube, dass sie sehr hohe Erwartungen hat. Von dem, was die Welt dir bietet, solltest du dir so viel wie möglich nehmen.« Ich war mir nicht sicher, ob Mudge wirklich daran glaubte oder nur wollte, dass andere glaubten, er würde daran glauben.
Das war also die Rache. Aber wessen Rache eigentlich? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Calum dahintersteckte. Er wäre bestimmt nicht davon begeistert, dass seine Tochter auf diese Weise im gesamten Netz groß rausgebracht wurde. Obwohl ihr Gesicht nicht zu erkennen war, würde Gott nicht lange brauchen, ihre Identität zu ermitteln, falls jemand danach fragte. Alasdair? Vielleicht, aber wie war er an die Aufnahmen gekommen? Andererseits waren Leute, die solche Sachen mochten, vielleicht bereit, sie weiterzugeben. Fiona selbst? Würde sie auf diese Art von Berühmheit abfahren? Ich hielt es durchaus für möglich.
»Das habe ich nie richtig verstanden«, sagte Mudge. »Wir leben in einer verfickten Welt in einem verfickten System. Jeder von uns tut verfickte Dinge. Viele Leute tun es nur, um zu überleben. Jeder, den ich kennengelernt habe, hat irgendeine Perversion, und je anständiger jemand erscheint, desto schmutziger ist seine Perversion.« Ich wollte protestieren. »Lass mich ausreden. Denn hier geht es um das, was wir getan haben, und um Gott. Der Subtext lautet: Wie können wir es wagen, über unsere Herrscher zu richten, wenn wir uns privat genauso verhalten? Wie kann jemand, der in dieser Welt lebt, von so etwas schockiert sein? Ich meine, es ist eine Verarschung. Die eigentliche Frage ist aber: Geht das irgendjemanden etwas an?«
»Jemand hat einfach nur mit mir gemacht, was wir mit allen anderen gemacht haben.«
»Aber wir haben keine Kameras in die Schlafzimmer anderer Leute geschmuggelt.«
»Ach so, dann ist ja alles in Ordnung. Was glaubst du, wie viele Menschen wir wegen solcher Geschichten getötet haben?«
Er hielt einen Moment inne, bevor er antwortete. »Okay. Wir wollen nicht übers Fremdgehen reden, und ich kann nicht einschätzen, ob Morag ungerecht oder naiv ist. Ich finde, dass all diese Sachen – also das, was wir wirklich sind – frei zugänglich sein sollte, und man sollte uns nicht einreden, dass wir uns dafür schämen sollten. Ich meine, wen soll so etwas schockieren? So etwas schockiert nicht, es erregt die Leute. Wir sollten schockiert sein, dass Menschen sich gegenseitig töten, damit ihre Kinder etwas zu essen haben. Wir sollten schockiert sein, dass man Veteranen, die der Menschheit dienen, die Systeme, die ihnen unter Zwang eingepflanzt wurden, wieder herausreißt, so dass sie zu Krüppeln werden. Wir sollten über die Ungleichheit schockiert sein, die zwischen den Armen und den Reichen herrscht …«
»Mudge!«
»Ja, schon gut. Hab mich von meinen eigenen Worten mitreißen lassen. Übrigens habe ich den Namen des sogenannten Journalisten, und ich werde ihm etwas sehr Schlimmes antun, wenn wir zurückgekehrt sind.«
»Er ist nur einer von vielen, und wir werden nicht zurückkehren.«
Mudge sah mich nur für eine Weile an, und die Linsen seiner Kameraaugen drehten sich surrend in die eine und dann die andere Richtung.
»Danke für den Versuch«, sagte ich.
»Möchtest du, dass ich mit ihr rede?«, fragte er.
»Auf gar keinen Fall.«
»Willst du fertiggemacht werden?«
»Ja, aber das wird nicht passieren.«
»Was ist los?«, fragte der Heide, als er aus der Trance erwachte. Er blickte auf die Brandspuren in der Wand und die Löcher in einigen Kisten.
»Morags und Jakes Beziehung ist in eine neue Phase eingetreten. Jetzt benutzen sie Schusswaffen als Mittel zur Konfliktlösung.«
»Was? Was hast du getan?«
Ich seufzte.
»Jakob hat irgendeine billige
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