Krieg im Himmel
bereits in Trümmern, die kläglichen Überreste eines ehemals wohlhabenden Stadtviertels. Dasselbe ließ sich über fast den ganzen Rest der Höhle sagen. Moa-Stadt war während der Hälfte der Kriegszeit belagert worden, seit die Invasion von Lalande 2 vor fünfundfünfzig Jahren begonnen hatte. Wohin man auch blickte, stand die Geschichte der Belagerung in Form von Kratern, Narben, Rillen, geschmolzenem und geschwärztem Stein geschrieben. Kein Teil der gewaltigen Höhlenkammer war schwerer beschädigt als die Stadt selbst.
Eine der größten Ingenieurleistungen der Vorkriegszeit, sehr viel Vermessungsarbeit, Modellrechnungen und experimentelle Projekte waren in die Stadtplanung eingeflossen. Ein enormer Stalaktit wuchs von der Höhlendecke herab, die sich in fünf Kilometern Höhe befand, so dass die Spitze des Keils fast einen Kilometer über dem Gartenviertel hing. Die Ingenieure hatten entschieden, dass der Stalaktit eine Siedlung tragen konnte, worauf man die Stadt mit Lasern und Mikroben aus dem Gestein und bereits vorhandenen Höhlen herausgeschnitten hatte. Sie war als Schlafstadt für die Minenarbeiter gedacht, während die anderen, die es sich leisten konnten, im Garten lebten.
Nachdem SIE angegriffen hatten, waren die überlebenden Reichen in den Stalaktit umgezogen. Was man ursprünglich für einen Schwachpunkt der planetaren Verteidigung gehalten hatte, erwies sich als sichere Festung, und große Teile des Stalaktiten waren dem Militär überlassen worden. Die übrigen Menschen wurden in die bereits überfüllten Teile der Stadt verdrängt, wo sie für sich selber sorgen mussten, vor allem, nachdem die Bergwerke von den menschlichen Streitkräften aufgegeben worden waren.
Der Stalaktit füllte den größten Teil des Blickfelds durch das schartige und narbige Panzerglasfenster des Seilbahnwagens aus. Es sah aus, als wäre kein einziger Quadratzentimeter unbeschädigt geblieben. Ein Teil des Felsens war mit einem Flickwerk aus Panzerplatten überzogen. Die Platten schienen dick genug zu sein, um von Mechs oder Kampfschiffen stammen zu können, und viele hatten in dieser Umgebung Rost angesetzt. Warzenartige Artillerie, Luftabwehrbatterien und Punktverteidigungsgeschütze wuchsen an zahlreichen Stellen aus dem Gestein.
»War die Belagerung wirklich so schlimm, wie erzählt wird?«, fragte ich.
Sowohl Heckschütze als auch Merle lachten humorlos.
»Mutters früheste Erinnerung ist, wie ihre Mutter das Fleisch der Leiche ihres Vaters kochte, damit die Kinder etwas zu essen hatten. Er hatte sich selbst getötet, um ihnen Nahrung zu verschaffen«, sagte Heckschütze und fixierte mich dann mit seinen Linsen. »Ja, es war schlimm.«
Ich schluckte und nickte. Dadurch wurden unsere Erlebnisse in eine etwas andere Perspektive gerückt. Wir waren auf der Erde in einer durch den Krieg ausgebluteten Wirtschaft aufgewachsen, aber an vorderster Front war es viel härter. Es war bereits eine Herausforderung, lange genug zu leben, um das Erwachsenenalter zu erreichen, und man schaffte es nur, wenn man bereit war, schlimme Dinge zu tun. All das hatte man diesen Menschen absichtlich angetan. Ich war dankbar, dass Mudge mit dem Heiden im Stützpunkt der whanau zurückgeblieben war. Es hätte mir nicht gefallen, wenn er Heckschütze an ihr stolzes Erbe als Kannibalen erinnert hätte, auf das sie sich berufen hatten. Außerdem fragte ich mich, warum es in meiner Welt plötzlich nur noch um Kannibalismus ging. Morag starrte Heckschütze entsetzt an. Sie war immer noch von den Verletzungen durch die Verfolgungsjagd mit den SKF s gezeichnet. Ich nicht, weil meine schneller abheilten.
Die Seilbahn brachte uns immer höher hinauf bis zum Höhlendach, in die Nähe des dicksten Teils des Stalaktiten. Wir kamen an einer kaputten Lampenaufhängung vorbei, die an der Höhlendecke baumelte. Das Licht flackerte, ein paar Funken regneten herab. Kurz hinter dem Leuchtkörper dockten wir am befestigten Torhaus an, das die Seilbahnstation war. Wir versuchten, uns nicht zu stürmisch zu bewegen, als die Masse der erschöpften Arbeiter den Wagen verließ. Ich verdrängte mein Schwindelgefühl, als ich aus der schaukelnden Seilbahn auf den steinernen Bahnsteig trat.
Meinen verstärkten Sinnen kam es vor, als wären überall Linsen, die sämtlich auf uns gerichtet waren. Reguläre Soldaten mit dem gelangweilten Desinteresse, das eine Folge der Verpflichtung zum Wachdienst war, überprüften die gefälschten Ausweise, die aus dem Limbus
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