Krieg im Himmel
schlafen, selbst auf den Bänken solcher lauten und zumeist unbequemen Fahrzeuge. Ich nickte sehr schnell ein. Vielleicht war es leichtsinnig, aber ich wusste, dass Rannu und Mudge mir Rückendeckung gaben. Sie würden mich wecken, wenn einer von ihnen schlafen wollte.
Der Himmel schien in blau-weißen Farben zu leuchten. Das erinnerte mich an etwas, etwas Gefährliches. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Augen öffnen wollte, aber es fühlte sich gut an. So gut hatte ich mich schon seit sehr langer Zeit nicht mehr gefühlt, wahrscheinlich weil ich nicht mehr im Sterben lag, sondern endlich tot war. Andererseits erinnerte ich mich, dass ich in meinem Leben viele schlimme Dinge getan hatte – ich hatte Geld von meinen Eltern geklaut, um Zigaretten zu kaufen, als ich zehn gewesen war, und ich hatte sehr viele Menschen gekillt. Manche kaltblütig und manche, nachdem ich sie gefoltert hatte – das waren diejenigen, die mein schlechtes Gewissen am meisten belasteten.
Nicht so große Probleme hatte ich damit, dass ich viele von IHNEN erwischt hatte. Sie waren zwar unschuldige Werkzeuge der Clique gewesen, aber damals hatten sie es darauf abgesehen, mich zu töten, und es ist wesentlich einfacher, etwas zu töten, das ganz anders aussieht als man selber. Trotzdem dürfte all das keinen guten Eindruck auf dem Aufnahmeformular für den Himmel machen.
Dann sagte ich mir, dass ich zu viel Zeit mit Hackern verbracht hatte und ich eigentlich gar nicht an diesen religiösen Blödsinn glaubte. Wo zum Teufel war ich also?
Der egoistische Teil von mir war glücklich, Morag im Himmel wiederzusehen. Dann fing ich an, um ihren Tod zu trauern, was ich Drecksack schon viel früher hätte tun sollen. Doch dann rief ich mir erneut ins Gedächtnis, dass ich gar nicht an all dieses Zeugs glaubte.
»Was?«, stieß ich mühsam hervor.
Morag lächelte. Sie sah wirklich wie ein Engel aus. Oder eher wie ein nicht-gruseliger Engel mit kurzem stachligem Haar. Sie beugte sich zu mir herüber und berührte mein Gesicht. Ihre Hände fühlten sich warm an. Ich fühlte mich warm und nicht so, als würde ich im Vakuum sterben. Oder von IHNEN in Stücke gerissen werden. Oder als würde mir die Atemluft ausgehen. Oder als würde ich schließlich an den Folgen der Verstrahlung sterben, was während der letzten paar Wochen meine Hauptbeschäftigung gewesen war. Außerdem fühlte ich mich sehr nackt, und in mir waren »Dinge«.
Mudge war der Beweis, dass ich nicht im Himmel weilte, obwohl nun die Hölle eine durchaus realistische Möglichkeit war, als er sich mit einem anzüglichen Grinsen über mich beugte. Er sah schrecklich aus.
»Die gute Neuigkeit ist, dass du nicht tot bist. Die schlechte Neuigkeit ist, dass es hier nichts zu trinken gibt, um es zu feiern.« Er klang sehr verärgert.
»Du siehst schrecklich aus«, stieß ich krächzend hervor. Es fühlte sich an, als hätte ich seit langer Zeit nicht mehr gesprochen.
»Ihm sind die Drogen ausgegangen«, sagte Morag.
»Das haben SIE für uns gemacht?«, fragte ich noch einmal. Es kostete mich einige Mühe, mich daran zu gewöhnen. »Sind wir Gefangene?«
»Es ist eher so, dass wir hier festsitzen«, antwortete Morag.
Ich befand mich in einer Höhle in einem Asteroiden, der fast die Größe eines Planetoiden hatte. Der Höhleneingang war mit einer Membran verschlossen, die aus … nun ja, aus IHNEN bestand. Wobei SIE die individuellen Bionaniten waren, also die eigentlichen Aliens, nicht die Berserker oder Ninjas, von denen wir es bislang geglaubt hatten.
Diese Membran schützte uns vor dem lebensfeindlichen Vakuum, und andere SIE -Gewächse schienen für Luft, Wärme und eher unangenehme sanitäre Einrichtungen verantwortlich zu sein. Es ist ein unvergleichliches Erlebnis, wenn eine zuvor feindselige außerirdische Spezies einem in den Arsch kriecht und die Entsorgung übernimmt, weil diese Aliens niemals Toilettenpapier erfinden mussten. Andere Gewächse stellten einen unappetitlichen Schleim und eine seltsam schmeckende Flüssigkeit her, die vermutlich Wasser darstellen sollte. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass wir uns von einer inaktiven Form von IHNEN ernährten – vielleicht von ihren Toten?
Was sie zu Mudges großem Unbehagen nicht herstellen konnten, waren Drogen, Zigaretten oder Wodka. Er war die meiste Zeit ein schwitzendes, verkrampftes, blasses, fiebriges Häufchen Elend, das in einer Ecke der Höhle kauerte. Ich selbst hätte auch nichts gegen einen Drink und etwas zu
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