Krieg im Himmel
mehr da, der hätte Rache nehmen können. Hier gab es nur noch eine leere Hülle, die auf einen Fleck am Boden starrte und sich wünschte, sie könnte einfach abgeschaltet werden wie eine Maschine, die sie tatsächlich war.
Es ist erstaunlich, wie lange man an nichts denken kann, wenn die Alternative darin besteht, sich noch einmal die Bilder vor Augen zu führen, wie der eigenen Freundin zwei Kugeln in den Kopf gejagt werden. Immer wenn ich versuchte, sie mir in besseren Zeiten vorzustellen, endete es mit den zwei geflüsterten Schüssen. Meine Geliebte war nur noch eine Ansammlung blutiger Spritzer an der Wand. Allerdings gelang es mir ein paarmal, an all die Scheiße zu denken, die ich zu ihr gesagt hatte, in der kurzen Zeit, die wir zusammen gewesen waren. Doch selbst dann folgten am Ende wieder die zwei Schüsse.
Es fühlte sich an, als wären es Tage. Ich hatte eine Uhr und einen Kalender in meinem IVD , aber ich verstand nicht mehr, was die Zahlen bedeuteten. Gelegentlich fiel ich in einen unruhigen Schlaf. Ich träumte von Feuer und Ebenen aus schwarzem Glas, die von schwarz gewandeten Gestalten heimgesucht wurden.
Es dauerte eine Weile, bis ich bemerkte, dass noch jemand in meiner Zelle war. Sie war sehr leise und unaufdringlich.
»Woher wusstet ihr, dass wir es waren?«, fragte ich. Meine Stimme war ein raues Krächzen, das sich einer wunden Kehle entriss. »Durch die Verräter?« Ich konnte mich nicht einmal dazu bringen, Wut auf jene zu empfinden, die uns verraten hatten.
»Sie haben nicht gesagt, wer ihr seid, aber als ich euch sah, habe ich euch wiedererkannt. Ich weiß, wie ihr euch bewegt.«
Es war seltsam, dass die Graue Lady mir überhaupt keine Angst mehr machte. Sie war einfach nur eine Naturgewalt, etwas, gegen das man sich nicht wehren konnte. Sie war etwas Schlimmes, das einem widerfuhr, wenn man versuchte, gegen Rolleston und seinesgleichen zu kämpfen. Sie trat in mein Blickfeld. Jetzt sah sie mich an. Ihre Augen konnten nur Implantate sein, aber sie sahen wie echt aus. Sie waren grau.
»Wie habt ihr sie geschnappt?«, fragte ich.
Was für eine Rolle spielte das überhaupt? Ich schloss die Augen, sah mir noch einmal die blutigen Szenen an, und als ich sie wieder öffnete, bemerkte ich, dass die Graue Lady mich betrachtete, den Kopf auf geradezu neugierige Weise zur Seite geneigt.
»Ich ging mit zwei weiteren aufgerüsteten Mitgliedern der Schwarzen Schwadron in den Einsatz. Beide waren früher bei den Spezialeinheiten. Sie lieferten sich ein Gefecht mit den anderen. Einer von den beiden wurde getötet. Der zweite wurde schwer verletzt, aber er konnte Miss McGrath gefangen nehmen. Ich war es nicht, falls das der Hintergrund deiner Frage war.« Aus irgendeinem Grund schien ihr das wichtig zu sein.
Eine Weile schwiegen wir. Unter anderen Umständen hätte es sich unangenehm angefühlt.
»Warum tust du es?«, fragte ich, hauptsächlich, um das Schweigen zu brechen, und nicht, weil es mich wirklich interessierte. »Für ihn arbeiten, meine ich.«
»Ich verstehe nicht«, sagte sie.
»Vögelst du mit ihm?«
Sie sagte nichts, aber irgendetwas flackerte in ihrem Blick. Als hätte ich sie verletzt. Ich war ziemlich gut darin, Frauen zu verletzen, aber sie war immerhin die Graue Lady.
»Oder willst du einfach nur eine biotechnische Göttin werden?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Warum dann? Warum tust du Menschen so etwas an?«
»Du tust den Menschen, die nicht deiner Meinung sind, schreckliche Dinge an«, erwiderte sie.
»Mir kommt es immer so vor, als hätten sie angefangen.«
»Du hast dich gegen ihn gewendet«, sagte sie.
»Weil er mich zwingen wollte, etwas sehr Schreckliches zu tun.« Ich hatte nicht einmal mehr die Kraft, Wut zu empfinden.
»Das ist relativ. Es hängt von der Weitsicht ab, über die man verfügt.«
»Ihr seid so richtig in eure Rechtfertigungen verliebt, nicht wahr? Damit ihr euch bei dem, was ihr tut, gut fühlt.« Auch das sagte ich in völlig gleichmäßigem Tonfall. Weil mich das alles eigentlich gar nicht mehr interessierte.
»Ich tue es, weil ich gut darin bin.«
»Du bist nie auf die Idee gekommen, es aus einem … netteren Grund zu machen?« Selbst in meinem desinteressierten Zustand kam es mir ziemlich flach vor, was ich sagte.
»Du stehst nicht dort, wo ich stehe.«
»Also vögelst du doch mit ihm.«
Wieder flackerte etwas auf. Traurigkeit? Wut? Mach weiter damit, die Graue Lady auf die Palme zu bringen. Eigentlich war das gar keine schlechte
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