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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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nur Tichon mit solchen Sachen befaßt. Denissow ließ Tichon rufen und belobte ihn für seine Tätigkeit, wobei er einige Worte sprach von der Treue für den Kaiser und das Vaterland und von dem Haß gegen die Franzosen, den die Söhne des Vaterlandes hegen müssen.
    »Wir tun den Franzosen nichts Böses«, sagte Tichon, der beim Erscheinen Denissows ängstlich geworden war. »Mirodeure haben wir zwei Dutzend totgeschlagen, aber sonst tun wir nichts Böses.«
    Am anderen Tag, als Denissow den Bauern schon vergessen hatte und Pokrowskoje verließ, wurde ihm gemeldet, Tichon habe darum gebeten, ihn mitzunehmen. Denissow willigte ein. Tichon machte sich auf verschiedene Arten nützlich und erwies sich als eifrig und brauchbar. Nachts ging er auf Beute aus und brachte immer französische Uniformen und Waffen zurück und auf Befehl auch Gefangene. Denissow nahm Tichon zu sich und ließ ihn unter die Kosaken einreihen. Tichon liebte nicht zu reiten und ging immer zu Fuß mit den Reitern. Er erhielt eine alte Muskete, die er mehr zum Scherz trug, eine Pike und ein Beil, das er zu allem zu brauchen wußte wie der Wolf seine Zähne, der damit ebenso leicht einen Floh in seinem Fell fängt als starke Knochen zerbeißt. Wenn es irgend etwas besonderes Schwieriges oder Mühsames zu tun gab, einen Wagen mit der Schulter aus dem Schlamme zu schieben, oder ein Pferd am Schweif aus einem Sumpf zu ziehen, oder sich mitten unter die Franzosen zu schleichen, so deuteten alle lachend auf Tichon. Einmal schoß ein Franzose mit einer Pistole nach ihm und traf in die Weichteile seiner Rückenseite. Diese Wunde, die Tichon mit Branntwein heilte, den er äußerlich und innerlich anwandte, war der Gegenstand vieler zarter Scherze in der ganzen Abteilung. Niemand verstand besser als er, eine Gelegenheit zu einem Überfall zu erkunden, niemand hatte mehr Franzosen als er gefangengenommen und getötet. Jetzt war er von Denissow noch in der Nacht nach Schamschewo gesandt worden, um eine »Zunge« zu fangen. Aber entweder weil er sich nicht mit einem Franzosen begnügen wollte, oder weil er die Nacht verschlafen hatte, schlich er bei Tage mitten in die Büsche unter die Franzosen und wurde entdeckt, wie Denissow vom Berge aus sah.

234
    Während Denissow sich noch mit dem Esaul besprach, kam ein Mensch in einer Jacke, mit Bastschuhen, einem Hut und einem Gewehr über die Schulter und einem Beil im Gürtel, mit großen Schritten durch den Wald. Als er Denissow erblickte, warf er hastig etwas ins Gebüsch, nahm seinen nassen Hut ab und näherte sich dem Anführer. Das war Tichon. Sein faltiges Gesicht mit den kleinen Äuglein glänzte vergnügt und selbstzufrieden.
    »Nun, wo bist du hingekommen?« fragte Denissow.
    »Bei den Franzosen war ich«, erwiderte Tichon mit heiserem Baß.
    »Warum bist du bei Tage dorthin geschlichen, du Einfaltspinsel? Nun, hast du keinen gebracht?«
    »Einen habe ich gefangengenommen.«
    »Wo ist er?«
    »Ich habe ihn in den Wald geführt, aber ich sah, daß er nichts taugte, und da dachte ich, ich werde einen anderen, akkurateren holen.«
    »Ach, du Strolch, warum hast du ihn nicht hergebracht?«
    »Er taugte nichts«, erwiderte Tichon hastig, »ich weiß ja, welche Sorte Sie brauchen.«
    »Ach, du Bestie! Nun?«
    »Ich ging nach einem anderen«, fuhr Tichon fort, »und kroch so durch den Wald und legte mich nieder.« Dabei warf er sich plötzlich nieder, um zu zeigen, wie er es gemacht hatte. »Einen habe ich so auch erwischt! ›Komm mit zum Obersten!‹ sagte ich. Und wie er mich anstarrte! Es waren aber ihrer vier und sie stürzten mit den Säbeln auf mich zu, aber ich gab ihnen so mit dem Beil!« schrie Tichon und schwang mit drohender Miene das Beil.
    »Mach keine Dummheiten«, sagte Denissow. »Aber warum hast du den ersten nicht hergebracht?«
    Tichon kratzte mit einer Hand den Rücken und mit der anderen den Kopf und verzog den Mund zu einem dummen, strahlenden Lachen. »Er taugte nichts«, sagte er. »Er war auch schlecht gekleidet und solch ein Grobian, Euer Wohlgeboren.«
    »Dummkopf!« sagte Denissow. »Ich muß doch jemand befragen.«
    »Wozu? Ärgern Sie sich nicht«, sagte Tichon. »Wenn es dunkel wird, so bringe ich drei, wenn Sie wollen.«
    Denissow ritt ärgerlich weiter, und Petja hörte, wie die Kosaken sich lustig machten und von Stiefeln sprachen, die Tichon ins Gebüsch geworfen hatte. Als das Gelächter verstummte, begriff Petja mit Grausen, daß Tichon einen Menschen erschlagen hatte, aber er

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