Krieger der Schatten - Traumlos im Bann der Nacht (German Edition)
rutschten ihre Sohlen über das vom Regen nasse Gras.
Plötzlich lichtete sich der Gräserwald und sie betrat eine Lichtung. Wasser glitzerte in der Ferne und brach sich in den Strahlen der Sonne.
Jadas Herzschlag geriet für einen Augenblick durcheinander. Er bestand nun aus Angst und freudiger Erregung.
Sie blieb stehen und wühlte fieberhaft in ihren Erinnerungen. Ein Bild formte sich vor ihrem inneren Auge und sie schlug sich vor Schock die Hand vor den Mund.
Zitternd sog sie die Luft tief in ihre Lungen und ging langsam auf den See zu. Sie wusste, was sie jeden Augenblick zu sehen bekommen würde.
Und so war es auch.
Ein Steg, der in den See hineinragte, umgeben von großen, alten Bäumen kam in ihr Blickfeld.
Das war er!
Sie hatte ihn gefunden.
Den Ort, den sie jede Nacht in ihren Träumen sah.
Emotionen schwappten wie eine riesige Welle kurz vor dem Ertrinken, über sie hinweg.
Ihre Hände wurden feucht, als sie mit hölzernen Bewegungen auf den Steg zuging.
Ein Gedanke schoss ihr wie Lava durch den Kopf: Vermutlich würde auch er diesen Ort kennen und sie müsste nur lange genug ausharren, bis er kam und sie fand.
Aber nachdem sie ihn heute gesehen hatte, war sie sich nicht mehr sicher, ob sie wollte, dass er kam. Sie hegte nicht einmal ansatzweise die Lust, ihr baldiges Ableben zu feiern. Sein Blick hatte so verachtend auf ihr gelegen. Kalt lief es ihr den Rücken herunter, als sie daran dachte, was geschehen würde, wenn sie alleine aufeinandertrafen. Keine Brüder, in deren Schutz sie sich zurückziehen konnte, würden ihn daran hindern, das zu vollenden, was sein Blick versprochen hatte.
Sie wühlte in ihrer Jackentasche und tastete nach der Sicherheit ihres Handys.
Jada bezwang ihre Angst, denn sie würde sich dem stellen, das auf sie wartete. Mit Sicherheit würde sie nicht wie eine verweichlichte Memme in ihr Auto stürmen und sich an den Rockzipfel ihrer Familie klammern.
Was würde weglaufen schon nützen?
Sich vor der Wahrheit zu drücken war nie eine sinnvolle Alternative, auch wenn sie noch immer der Meinung war, dass Verdrängung eine Medikation für jedes Problem war.
Unsicher betrat sie das alte, knackende Holz und ging vorsichtig an das Ende der Holzbohlen, die in den See ragten. Sie zog ihre Jacke aus und sah sich noch einmal zu allen Seiten um, bevor sie sich auf sie setzte und die Beine über den Steg schwang.
Ihr Blick war gedankenversunken auf das Wasser gerichtet, als ein Misston das Vogelgezwitscher und Rascheln der Bäume durchbrach.
Angst durchfuhr sie wie ein Stromschlag.
Vor Furcht sah sie sich nicht um.
„Was tust du hier?“, fragte eine leise, dunkle Stimme hinter ihr.
Wie in ihrem Traum war der Klang seiner Stimme wunderschön und weich, wie Samt und Seide. Ihre Sinne wurden in einen Strudel aus wohligen Schauern und Gänsehaut gezogen.
Jada ignorierte die Frage.
„Es ist wunderschön hier“, sagte sie stattdessen.
„Was tust du hier? Es ist dir nicht gestattet, hier zu sein“, wiederholte er seine Frage.
Lajos zersprang das Herz.
Sie hatte den Satz gesagt, der sie seit Jahren aneinander band. Aber er hatte sie nicht nur in der Schule hasserfüllt angesehen, sondern sprach sie jetzt an diesem Ort auch noch mit Verachtung in der Stimme an.
Er musste sie von sich stoßen, auch wenn es nicht das war, was er wollte.
Sie sah so zierlich und zerbrechlich aus, wie sie vor ihm saß. Ihr ganzer Körper hatte sich versteift, ein leichtes Beben erfasste sie. Aber dennoch hatte er Respekt vor ihr. Sie saß immer noch direkt vor ihm und versuchte nicht einmal zu fliehen. Jeder normal denkende Mensch würde doch wenigstens den Hauch eines gesunden Selbsterhaltungstriebes an den Tag legen. Das bezog sich auf Menschen, ihrer Art war die Bedeutung des Wortes nahezu fremd, wie er vermutete, sonst hätte sie schon längst das Weite gesucht. Obgleich er den Wunsch hegte, dass sie nicht vor ihm fliehen würde, hätte er sie dennoch nur allzu gern geschüttelt, bis sie zu Verstand kam und die Gefahr sah, die von ihm ausging.
Er verstand sich selbst nicht mehr, seine Gefühle waren ein Durcheinander und trieben ihn geradezu in den Wahnsinn.
Was? Es war ihr nicht gestattet?
Na klar, womöglich war sie zu blind, um das Schild mit der Aufschrift zu finden: Jada Aliza Haige, nur für dich ist der Zutritt verboten!
Was redet der da? So schoss es Jada durch den Kopf.
Sie konnte sich gerade noch davon abhalten, ihn zu fragen, ob er paranoid war. Angst wich der Wut, die
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