Krieger des Feuers - Sanderson, B: Krieger des Feuers - The Well of Ascension, Mistborn 2
Grafen brachten Krüppel um, damit sie nicht die Vorräte belasteten.
»Wann kommt der Oberste Herrscher zurück?«, fragte eine der Frauen.
»Ich glaube nicht, dass er überhaupt zurückkommen wird«, antwortete Sazed.
»Warum hat er uns im Stich gelassen?«
»Es ist Zeit für Veränderungen«, erklärte Sazed. »Vielleicht ist es auch Zeit, andere Wahrheiten zu lernen und andere Wege zu beschreiten.«
Die Gruppe regte sich leise. Sazed seufzte innerlich. Diese Menschen setzten Glauben immer mit dem Stahlministerium und dessen Obligatoren gleich. Religion war nichts, worüber sich die Skaa Gedanken machten – sie gingen ihr lediglich aus dem Weg, wann immer es möglich war.
Die Bewahrer haben tausend Jahre damit zugebracht, die sterbenden Religionen der Welt zu sammeln und auswendig zu lernen, dachte Sazed. Wer hätte je geglaubt, dass jetzt, da der Oberste Herrscher weg ist, die Leute gar nicht wiederhaben wollen, was sie verloren haben?
Doch es fiel ihm schwer, Böses über diese Menschen zu denken. Sie kämpften um ihr Überleben, und ihre seit jeher harte Welt war plötzlich unvorhersehbar geworden. Sie waren müde. War es da ein Wunder, dass sie kein Interesse an lange vergessenen Religionen hatten?
»Kommt«, sagte Sazed und wandte sich dem Dorf zu. »Es gibt noch andere Dinge – praktischere –, die ich euch lehren kann.«
Und ich bin derjenige, der Alendi verraten hat, denn jetzt weiß ich, dass es ihm niemals erlaubt werden darf, seine Suche zu beenden.
Kapitel 5
V in erkannte die Zeichen der Angst, die sich in der Stadt zeigten. Arbeiter irrten bedrückt umher, und auf den Märkten herrschte besorgte Geschäftigkeit. Es war dieselbe Anspannung zu bemerken, die man bei einem in die Ecke getriebenen Nagetier beobachten konnte. Verängstigt, aber ohne die geringste Ahnung, was als Nächstes zu tun war. Dem Untergang geweiht und ohne einen Ort, an den man sich flüchten konnte.
Während des letzten Jahres hatten viele die Stadt verlassen. Adlige waren geflohen, Kaufleute suchten nach anderen Orten für ihre Geschäfte. Doch zur gleichen Zeit war der Skaa-Anteil der Bevölkerung angeschwollen. Irgendwie hatten sie von Elants Verkündigung der Freiheit gehört und waren mit großem Optimismus gekommen – oder zumindest mit so viel Optimismus, wie eine überarbeitete, unterernährte und geschundene Bevölkerung noch aufbringen konnte.
Und so waren die Leute geblieben – trotz der Vorhersagen, dass Luthadel untergehen werde, und trotz all des Geflüsters über die kleine und schwache Armee. Arbeiten. Leben. So wie immer. Im Leben eines Skaa hatte noch nie große Sicherheit geherrscht.
Dennoch empfand Vin es als seltsam, den Markt so quirlig zu sehen. Als sie in ihrer üblichen Hose und dem geknöpften Hemd die Kentonstraße hinunterging, dachte sie an die Zeiten, zu denen sie die Straße vor dem großen Zusammenbruch tagsüber
besucht hatte. Damals war sie die stille Heimstatt einiger exklusiver Maßschneidereien gewesen.
Nachdem Elant die Beschränkungen für Skaa-Kaufleute außer Kraft gesetzt hatte, hatte sich die Kentonstraße verändert. Die Durchgangsstraße war zu einem wilden Gemisch aus Basaren, Handkarren und Zelten geworden. Um die jüngst befreiten – und besser entlohnten – Skaa-Arbeiter als Kunden zu gewinnen, hatten die Ladenbesitzer ihre Methoden geändert. Während sie früher mit reichen Schaufensterauslagen geprunkt hatten, benutzten sie nun Ausrufer, Verkäufer und sogar Zauberkünstler, um die Kundschaft anzulocken.
Die Straße war inzwischen so belebt, dass Vin sie nun für gewöhnlich mied, und heute war es schlimmer als an den meisten anderen Tagen. Die Ankunft der Armee hatte eine Menge hastig getätigter letzter Geschäfte zur Folge; die Menschen versuchten sich auf das vorzubereiten, was nun kommen mochte. Ein grimmiger Ton beherrschte die Atmosphäre. Es gab weniger Straßenkünstler und mehr Ausrufer. Elant hatte angeordnet, dass alle acht Stadttore geschlossen wurden, also war eine Flucht nicht mehr möglich. Vin fragte sich, wie viele Einwohner ihre Entscheidung bedauerten, hiergeblieben zu sein.
Mit geschäftsmäßigem Schritt ging sie die Straße hinunter und hatte die Hände gefaltet, damit ihre Haltung keine Nervosität ausdrückte. Schon als Kind – als Balg auf den Straßen von einem Dutzend verschiedener Städte – hatte sie große Menschenansammlungen nicht gemocht. Es war schwer, so viele Leute im Auge zu behalten und sich zu konzentrieren. Als
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