Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
los?«
Robert drehte sich um, als einer der Ritter aus Essex, ein Mann namens Matthew, das Wort ergriff. Matthews Blick hing wie die des Rests der Gruppe wie gebannt an der ungewöhnlichen Szene. Robert wandte sich wieder der Menge zu. Jetzt fiel ihm der skelettähnliche Rahmen eines Galgens auf, der über ihren Köpfen aufragte. Heute drängten sich dort nicht die Toten, sondern die Lebenden – Männer standen unter einer Reihe leerer Schlingen auf der Plattform. Die Rufe der Jugendlichen, die er aufgeschnappt hatte, ergaben mit einem Mal einen beunruhigenden Sinn. »Hier findet eine Hinrichtung statt.«
Robert trieb sein Pferd zu einem schnellen Trab an. Seine Begleiter folgten ihm, während die ersten Regentropfen vom Himmel fielen. Je mehr sie sich Smithfield näherten, desto lauter wurde der Lärm der Menge, und schon bald waren Robert und seine Männer gezwungen, ihre Pferde in langsamem Schritttempo durch das Gewühl zu lenken. Die Schaulustigen setzten sich hauptsächlich aus gewöhnlichem Volk in grob gewebten Tuniken und Holzschuhen, Arbeitern und Handwerkern, von denen einige noch ihre fleckigen Schürzen trugen, und ein paar wohlhabenden Bürgern mit Federhüten und bestickten Umhängen zusammen. Robert hob sich in seinem brokatverzierten Mantel, den weichen Lederstiefeln, dem Breitschwert an der Hüfte und seiner Eskorte von Rittern und Dienern von ihnen ab wie ein Edelstein von einem Strand voller Kieselsteine. Er bemerkte, dass Nes sich dicht an seiner Seite hielt und die vorbeieilenden Londoner argwöhnisch im Auge behielt.
»Wir sollten einen Bogen um sie machen, Sir«, rief Matthew, während er ein paar picklige Jungen, die versuchten, sein scheuendes Pferd zu berühren, finster anfunkelte. »Richtung Norden und dann hinunter nach Holborn.«
»Einverstanden.« Ein anderer Ritter wendete sein Schlachtross und lenkte es dem Strom entgegen. Fionn folgte ihm aufgeregt bellend.
Robert bückte sich und packte einen der pickligen Jungen am Kragen. »Wer wird hier hingerichtet?« Der Junge versuchte sich loszureißen, aber Robert hielt ihn fest. »Sag es mir!«
»William Wallace«, platzte der Bursche heraus. »Das Ungeheuer aus dem Norden!«
Robert gab ihn frei. Er bekam kaum mit, dass der Junge ihm einen Schwall von Beleidigungen entgegenschleuderte, bevor er von der Menge verschluckt wurde.
»Sir!«
Robert achtete nicht auf Matthew, sondern wandte sich an Nes. »Nimm mein Pferd!«, rief er seinem Knappen zu, riss die Füße aus den Steigbügeln und sprang aus dem Sattel. Ohne auf Nes’ Warnruf zu reagieren, drängte er sich durch das Gewühl. Seine Größe und Körperkraft erlaubten es ihm, sich rücksichtslos vorwärtszukämpfen.
Am Rand der Menge erblickte er die zerlumpten Gestalten von Bettlern, die den Vorübergehenden flehend die Hände entgegenstreckten. Ab und an war das Klappern der Almosenschalen von Aussätzigen zu hören. Auch Spielleute und Jongleure, Scharlatane mit Taschen voller fragwürdiger Heilmittel und Ablasshändler mit ihren falschen Reliquien waren von dem Gewimmel angezogen worden wie Fliegen vom Honig. Es herrschte eine Art Festtagsstimmung, nur waren diese Schaulustigen nicht auf Spiele, Völlerei und Tanz erpicht, sondern sie lechzten nach Blut. Sie stießen und rempelten sich gegenseitig an, um so nah wie möglich an den Galgen heranzugelangen und einen Platz zu ergattern, von dem aus sie das Spektakel am besten verfolgen konnten.
Robert drängte sich weiter; angetrieben von dem Drang, mit eigenen Augen zu sehen, was hier geschah. Einige Male fing er Wallace’ Namen auf. Wie hatten sie ihn gefangen genommen? Und wann? Feiner Regen vernebelte die Luft und ließ die Köpfe und Schultern der Menschen dunkel schimmern. Er trat jemandem auf den Fuß und spürte gleichzeitig einen Stoß im Rücken. Eine Frau, der das Haar offen um die Schultern fiel, vertrat ihm den Weg, lächelte und musterte ihn abschätzend von Kopf bis Fuß. Dann zog sie mit einer Hand das Oberteil ihres dünnen Kleides herunter und entblößte ihre Brüste. Die andere streckte sie aus und drehte eine schmutzige Handfläche nach oben.
»Für einen Penny dürft Ihr Euch daran gütlich tun, Mylord.«
Robert stellte fest, dass er in der wogenden Menge gefangen, von allen Seiten eingekeilt war. Der Gestank schalen Atems stieg ihm in die Nase, als ein zahnloser alter Mann sich zu ihm umdrehte, um ihn lüstern anzugrinsen. Seine Ohren dröhnten, weil zwei junge Burschen neben ihm beim Anblick des
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