Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
an ihrer steinernen Linie entlangzogen, bevor sie nach und nach von Weilern, Leprahospitälern und imposanten Ordenshäusern durchsetzten Marschen und Wiesen wichen. Dazwischen wand sich die Straße nach Westminster hindurch. Von Backhäusern, Rauchfängen und offenen Feuern stieg Rauch auf und vermischte sich mit dem grauen, vom salzigen Gestank der Marschen erfüllten Nebel, der in der schwülen Luft hing.
Die Straße war merkwürdig leer, die Dörfer ungewöhnlich ruhig. Robert hörte schwache Jubelrufe, die innerhalb der Mauern aufzubranden schienen, und fragte sich, ob heute irgendein Fest veranstaltet wurde, das die Bewohner der Vororte in die Stadt selbst gelockt hatte. Aber er dachte nicht länger darüber nach, denn er wurde von seinen eigenen Sorgen geplagt.
Der Tod der Tochter des Königs hatte einen furchtbaren Schatten über das Weihnachtsfest geworfen, der bis zum neuen Jahr anhielt, dem Zeitpunkt, wo der Hof endlich Yorkshire verließ und Richtung Süden reiste, durch Lincoln hindurch nach Westminster. Robert war es so vorgekommen, als würde das Schicksal Schottlands gleichfalls auf diesen unerbittlichen Marsch gen Süden geschleift, um im Herbstparlament in den Stein von Gesetzen gemeißelt zu werden. Als er im späten Frühjahr nach Writtle aufgebrochen war, hatte er gehofft, die Nachricht, auf die er lauerte, würde dort auf ihn warten. Aber er hatte nur unvollständig geführte Kontobücher, reparaturbedürftige Gebäude und verwirrte Pächter vorgefunden, die schon lange die Aufsicht eines nüchternen Lords benötigt hätten.
Als der Frühling in den Sommer überging, hatte sein ungeduldiges Warten auf eine Antwort von John Comyn einen Punkt erreicht, wo ihn jedes Hufgetrommel, das sich der Burg näherte, zum nächstgelegenen Fenster trieb. Doch noch immer traf keine Botschaft ein. Und nun kehrte Robert, nachdem er zwei Monate in Essex verbracht und die Angelegenheiten seines Vaters geordnet hatte, an den Hof des Königs zurück, wo ihn die Parlamentssitzung erwartete. Übermorgen würde Schottlands neue Konstitution in Kraft treten und ein den englischen Oberherren untertaner Regierungsrat eingesetzt werden.
Eine grölende Lachsalve riss ihn aus seinen Gedanken, er blickte sich um und sah vier Halbwüchsige am Straßenrand entlangrennen. Ein fünfter, jüngerer, stolperte hinter ihnen her, verzweifelt bemüht, mit ihnen Schritt zu halten. Die älteren Jungen schenkten der Reitergruppe wenig Beachtung, doch der jüngste blieb grinsend stehen, als Fionn auf ihn zutollte.
»Du verpasst noch, wie er baumelt, Stephen!«, rief ihm einer der anderen zu.
Nachdem er den Hund gestreichelt hatte, lief der Junge seinen Kameraden hinterher. »Wir hätten den Weg durch Newgate nehmen sollen«, keuchte er. Sein Englisch klang so breit und schwer, als habe er nie etwas anderes gesprochen.
»Dummkopf! Da sind die Straßen verstopft. Hier entlang geht es schneller. Wir suchen uns einen Platz auf der Mauer von St. Bartholomew. Von da aus können wir sehen, wie ihm die Eingeweide aus dem Bauch quellen!«
Erneut lachend, rannten die Jungen weiter. Robert hörte, wie irgendwo neuerliche Jubelrufe aufbrandeten, diesmal lauter als zuvor. Jetzt erst wurde ihm bewusst, dass ein leises Summen zahlreicher Stimmen die Luft erfüllte. Vor ihnen bog die Straße in demselben scharfen Winkel nach links ab wie die Stadtmauern, die bei Cripplegate in südlicher Richtung verliefen. Roberts Trupp folgte der Biegung und sah bald die mächtigen Gebäude des Klosters St. Bartholomew weniger als eine halbe Meile entfernt vor sich aufragen. Dahinter erstreckte sich die glatte Ebene von West Smithfield in den Nachmittagsdunst hinein. Der Anblick, der sich ihm dort bot, bewog Robert, sein Pferd zum Stehen zu bringen.
Die grüne, vom Wasser des Fleet durchschnittene Fläche wimmelte von Menschen – Hunderten und Aberhunderten. Noch während Robert sie anstarrte, strömten von Newgate und Aldersgate weitere herbei und ergossen sich wie eine dunkle Flut auf die Ebene von Smithfield. Plötzlich wurde ihm klar, warum die Vororte und die Straßen verlassen dagelegen hatten. Ganz London schien sich auf den Feldern vor ihm zu versammeln. Sein erster Gedanke galt dem Augustjahrmarkt, zu dem ihn Humphrey Jahre zuvor mitgenommen hatte. Doch als er über die wogende Menge hinwegblickte, stellte er fest, dass es weder Verkaufsstände noch Pferdepferche noch Feuergruben gab, über denen sich Bratspieße drehten.
»Was ist denn hier
Weitere Kostenlose Bücher