Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
Er war so in seine Gedanken versunken, dass er die Schritte im Gang hinter sich nicht bemerkte. Als sein Name gerufen wurde, blieb er auf halber Treppe stehen, drehte sich um und sah vier Männer auf sich zukommen. Ihre Schatten tanzten dunkel über die von Fackeln erleuchteten Wände. Als sie näher kamen, erkannte er Piers Gaveston an ihrer Spitze. In den kohlschwarzen Augen des Gascogners lag ein eigenartiger, hungriger Ausdruck. Piers trat auf ihn zu, und Edward wurde bewusst, dass er ein Schwert in der Hand hielt.
»Master Piers«, grüßte Edward, ohne den Blick von der Waffe zu wenden. Die Männer in Begleitung des Gascogners kannte er alle, sie gehörten zum Haushalt des Prinzen. Auch sie hatten die Hände an die Griffe ihrer Schwerter gelegt, bereit, sie zu ziehen. »Fließt das Ale nicht mehr?«
»Es ist sogar in Strömen geflossen«, erwiderte Piers. »Bis uns einer der Männer des Königs aufgesucht und uns beauftragt hat, Euch zu finden.«
»Das habt Ihr ja jetzt. Was wollt ihr?«
»Euch festnehmen.«
Edward spürte, wie der letzte dunkle Schleier von ihm abfiel und er die Welt ringsum plötzlich mit überwältigender Klarheit wahrnahm. Sein Herz begann zu hämmern, doch er wahrte eine unbeteiligte Miene. Seit er Zeuge jener Umarmung in den Wäldern bei Burstwick geworden war, hatte sich Piers’ Verhalten ihm gegenüber geändert. Das des Prinzen ebenfalls, doch während dieser bestrebt schien, Edward enger an sich zu binden, war Piers kälter und aggressiver geworden. Vielleicht wollte er heute noch mehr schottisches Blut vergießen, ein für alle Mal vermeiden, dass das Geheimnis gelüftet wurde, das sie drei teilten? »Festnehmen?« Sieben Stufen trennten Edward von den Männern. Er stand näher beim Absatz als beim Fuß der Treppe. »Soll das ein Scherz sein?«
Piers lächelte. »Um Euren Bruder kümmern sich die Männer des Königs. Was Euch betrifft – mein Prinz hat mir die Ehre zuteilwerden lassen, Euch eigenhändig gefangen zu nehmen.«
Mit diesen Worten stürzte sich der Gascogner auf Edward, der herumwirbelte und die Stufen emporstürmte. Er hatte kein Schwert bei sich, nur einen Dolch im Gürtel, mit dem er gegen vier Klingen wenig ausrichten konnte. Am Ende der Treppe gabelte sich der Gang in zwei Richtungen. Edward sah einen Diener auf Händen und Knien die Fliesen schrubben. Ein hölzerner Eimer stand neben ihm auf dem Boden. Diesen packte er und schleuderte ihn die Treppe hinunter. Piers duckte sich, als sich ein Schwall Schmutzwasser über die Stufen ergoss. Edward hörte, wie der Eimer die Stufen hinunterpolterte, gefolgt von einem Schmerzensschrei, und jagte den Gang entlang auf seine Kammer zu. Er drehte sich nicht um, als Schritte im Korridor widerhallten und der Diener einen Warnruf ausstieß, verschwand mit einem Satz in dem Raum am Ende des Ganges, drehte sich um und erhaschte einen Blick auf Piers, der triefnass und vor Wut schäumend direkt auf ihn zukam, bevor er die Tür zuwarf.
Er schob den Riegel vor, wobei er sich in der Hast die Knöchel aufschürfte, und sah sich fieberhaft im Raum um. Sein Blick fiel auf einen massiven Schrank an einer Wand. Im selben Moment krachte etwas gegen die Tür. Edward stemmte sich gegen das schwere Möbelstück und schob es über die Bodendielen, wobei der Läufer verrutschte. Wieder ertönte ein Krachen, der Riegel drohte, unter der Wucht des Aufpralls aus der Halterung zu springen. Der dritte Stoß wurde vom Geräusch splitternden Holzes begleitet.
»Du kannst nirgendwohin flüchten, du Hurensohn!«, hörte er Piers schnarren.
Der Schrank ließ sich endlich mit einem protestierenden Quietschen vor die Tür schieben. Edward lehnte sich nach Atem ringend dagegen und lauschte dem fortdauernden, von Piers’ Drohungen und Flüchen unterbrochenen Hämmern.
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NACH ZAHLREICHEN WEITEREN vergeblichen Versuchen gaben sie es auf, die Tür aufbrechen zu wollen.
Piers erhob auf der anderen Seite die Stimme. »Geoffrey, Brian – ihr beide bleibt hier und passt auf, dass er nicht entkommt. Wir holen eine Axt aus dem Holzschuppen.«
Der an dem Schrank lehnende Edward hegte keinen Zweifel daran, dass Piers ihn diese Worte bewusst hatte hören lassen wollen. Der Gascogner wusste, dass er ihn in eine Falle gejagt hatte. Die Kammer hatte ein Fenster mit einer Bleiglasscheibe – zu klein, als dass er sich hätte hindurchzwängen können. Die weiß getünchten Wände bestanden aus dickem Stein. Während die Schritte im Gang verhallten,
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