Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
spähte er zu der Tochter des Earls hinüber. Sie saß noch immer in der Kutsche und klammerte sich mit weit aufgerissenen Augen schwer atmend an den Seiten fest. Der Goldreif, den sie getragen hatte, war ihr vom Kopf gerutscht, ihr Schleier in Unordnung geraten. »Es tut mir leid, Mylady«, wandte er sich an sie. »Aber ich hatte keine andere Wahl.« Er schlang sich den Riemen um die Taille und schob das Schwert, das er Ulsters Wachposten abgenommen hatte, in den provisorischen Gürtel. »Bleibt am Rand der Straße. Euer Vater wird nach Euch suchen.«
Als er sich anschickte, sich auf eines der Pferde zu schwingen, kam plötzlich Leben in Elizabeth, und sie kletterte gleichfalls hastig aus der Kutsche. »Wartet!«
Robert blickte sich um. Sie wirkte jetzt weniger verängstigt als vielmehr völlig verzweifelt.
»Nehmt mich mit.«
Robert starrte das Mädchen an. Die Forderung brachte ihn einen Moment lang völlig aus der Fassung, doch er löste sich rasch aus seiner Erstarrung und packte Mähne und Rumpf des Tieres, um sich auf seinen Rücken zu ziehen. Von der Straße her ertönten Hufschläge.
Elizabeths Gesicht verzerrte sich vor Qual. »Dann werde ich ihnen sagen, in welche Richtung Ihr flieht!« Ihre Stimme zitterte, als sie die Drohung aussprach, aber sie bahnte sich entschlossen einen Weg durch das Unterholz, raffte mit einer Hand ihre Röcke, schob mit der anderen Zweige zur Seite und steuerte auf die Straße zu.
Fluchend glitt Robert von dem Pferd und lief ihr nach, setzte über Baumwurzeln hinweg und zerriss sich das Hemd, als er an einem Dornengestrüpp hängen blieb. Der Hufschlag wurde lauter, der Waldboden erzitterte unter zwanzig oder mehr Reitern in vollem Galopp. Robert packte Elizabeth und drückte sie mit Gewalt in das Unterholz. Im selben Moment donnerten die Männer des Earls im flackernden Schein der Fackeln, die sie bei sich trugen, an ihnen vorbei. Er presste ihr eine Hand auf den Mund, obwohl sich diese Vorsichtsmaßnahme als überflüssig erwies, denn sie machte keinerlei Anstalten, sich zur Wehr zu setzen. Eine Staubwolke stob auf, dann waren die Männer verschwunden.
Robert wartete noch ein paar Sekunden ab. Insekten krochen im Dunkeln über seine Haut, und Elizabeths Atem strich heiß über seine Haut. Endlich richtete er sich auf und zog sie grob in die Höhe.
Der Schleier war ihr vom Kopf gerutscht, und ihr aufgesteckter schwarzer Zopf hatte sich aus den Haarnadeln gelöst, die ihn hielten. »Ihr wollt nach Schottland, nicht wahr?«
»Von hier aus könnt Ihr problemlos zu Fuß zur Burg zurücklaufen«, wies er sie an, ehe er zur Kutsche zurückging. Ulsters Männer wussten sicherlich, dass sie ihn schnellstmöglich einholen mussten. Wenn ihnen das nicht gelang, würden sie zurückkommen und den Wald durchsuchen. Robert blieb stehen. Die Kutsche stand noch da, wo er sie zurückgelassen hatte, aber die Pferde waren durchgegangen. Eine Welle heißer Wut schlug über ihm zusammen. » Hölle und Teufel! «, zischte er, dann fuhr er zu der hinter ihm näher kommenden Elizabeth herum.
Sie zuckte angesichts des Zorns in seinem Gesicht zurück, schob jedoch herausfordernd das Kinn vor. »Nehmt mich mit, dann schicke ich meinem Vater eine Botschaft und bitte ihn, den anderen Mann unversehrt freizulassen. Er ist Euer Bruder, nicht wahr?«
Robert blickte zur Straße hinüber, als er eine weitere Reitergruppe herannahen hörte, dann sah er Elizabeth an, registrierte ihre entschlossene Miene und die Verzweiflung in ihren Augen. Sie umklammerte ein kleines Elfenbeinkreuz, das sie um den Hals trug. Wenn er sie hier zurückließ, würde sie nichts davon abhalten, seine Verfolger durch lautes Geschrei auf ihn aufmerksam zu machen. Mit einer unterdrückten Verwünschung packte er sie am Handgelenk und zog sie in den Schatten der Bäume. Hinter ihm erfüllte erneut Hufgetrommel den Wald.
Picardie, Frankreich, A.D. 1301
Sturmwolken türmten sich am Himmel auf, verwandelten goldenes Abendlicht in stumpfes Kupfer und warfen weitläufige Schatten über die Wiesen des Sommetals. Vom Fenster des auf massiven Erdwällen, die sich über den umliegenden Weiden und Dörfern erhoben, errichteten Bailleul Castle aus beobachtete John Balliol, wie erste Blitze über die Landschaft seiner Heimat zuckten. Hinter ihm eilten Diener durch den dämmrigen Raum, bezogen die Betten mit frischem Leinen, entfachten ein Feuer im Kamin und gossen Wasser in eine Schüssel, damit er sich den Staub vom Gesicht waschen konnte.
Weitere Kostenlose Bücher