Krieger des Lichts - Palmer, P: Krieger des Lichts
irgendetwas mit seiner Mutter zu tun hatte.
»Erzähl mir von Cordelia, Jag. Erzähl mir, was ihr passiert ist, ja?«
Er zuckte zusammen, ein leichtes Zurückweichen, aber er wandte sich nicht voller Zorn von ihr ab, wie sie fast schon erwartet hatte. Ganz allmählich wich die Anspannung aus seinem Körper, und er begann zu sprechen. Seine Worte klangen gepresst und emotionslos.
»Ich entdeckte den Sex mit vierzehn. Mit Menschenmädchen. Meine Mutter bekam natürlich einen Anfall, als sie es herausfand, und verbot mir, weiterhin ins Dorf zu gehen. Und als der ungehorsame Sohn, der ich war, hörte ich nicht auf sie und schlich mich immer wieder davon. Das ging eine ganze Zeit lang so. Als ich sechzehn wurde, hatte sie endgültig genug. Sie folgte mir eines Tages und stürmte in die Scheune, wo ich mich gerade mitten in einem heißen Stelldichein befand. Sie befahl mir, von dem Mädchen runterzusteigen, aber ich beachtete sie natürlich nicht. Ich war jung und ganz verrückt vor Lust und weiß auch nicht, ob ich ihn überhaupt hätte herausziehen können, auch wenn ich es versucht hätte. Aber ich versuchte es gar nicht.
Cordelia war … fordernd. Nicht nur bei mir, sondern mit allen. Und es versetzte sie in Wut, dass ich nicht das tat, was sie mir befohlen hatte, was natürlich dazu führte, dass ich sie noch weniger beachtete. Da packte sie mich und versuchte, mich von dem Mädchen herunterzuzerren. Ich war zwar noch ein halbes Kind, aber schon sehr stark. Ich stieß sie weg, und sie fiel gegen die Wand. Ich weiß nicht, woran sie sich gestoßen hat – ich interessierte mich in dem Moment nur dafür zu kommen. Doch einen Augenblick später hörte ich einen Mann wütend brüllen; ich dachte, das wäre der Vater des Mädchens, und löste mich von ihr. Aber als ich aufstand, stellte ich fest, dass sich die Situation geändert hatte. Vier Männer waren zweifellos wegen Cordelias Geschrei in die Scheune gerannt gekommen. Aber sie sahen nicht mich oder das Mädchen an. Sie starrten Cordelia an, und ich konnte zusehen, wie ihre Gesichter bleich wurden.
Das war der Moment, in dem ich merkte, dass Cordelia Blut über die Wange lief und von ihrem Kinn tropfte. Aber natürlich war kein Schnitt zu sehen. Der war längst wieder verheilt. Sie hatten dabei zugesehen, wie sich die Wunde schloss.
Es war das Jahr 1677 und die Hexenverfolgung auf dem Höhepunkt. Einer der Männer befahl, sie zu ergreifen, und obwohl sie sich wehrte, überwältigten sie sie. Meine verräterische, kleine Geliebte schrie, ich wäre ihr Sohn und vielleicht auch ein Hexer. Und ich leugnete es.«
Er verstummte, und ein Beben ging durch seinen muskulösen Körper. »Ich leugnete, dass sie meine Mutter sei.« Seine Stimme brach fast bei diesen Worten.
Olivia strich mit der Wange über seine Brust und drückte ihn fester an sich. Sie bezweifelte, dass er überhaupt bemerkte, dass auch sein Griff fester geworden war und dass seine Hände angefangen hatten zu zittern.
»Sie zerrten sie aus der Scheune heraus und zum Marktplatz, wo sie sie mit Eisenschellen an einen Pfahl banden und anzündeten. Ich lief weg. Ich kehrte erst ins Dorf zurück, als es fast schon Abend war, und da war es natürlich schon zu spät, um sie noch zu retten. Wenn das Feuer sie nicht bereits umgebracht hatte, dann hätten es die Drader getan. Die Männer des Dorfes nahmen ihren Leichnam am nächsten Morgen kurz vor Sonnenaufgang herunter.«
Jags Körper spannte sich plötzlich an. Mit einer einzigen Bewegung löste er sich von ihr und stand auf, als würde er flüchten.
»Genug von meiner glücklichen Kindheit.« Er marschierte ins Badezimmer und schloss die Tür. Sie hörte, wie er das Wasser in der Dusche aufdrehte.
Olivia zog sein Kissen an sich. Sie war voll tiefer Trauer ob seines Schmerzes und fühlte sich schuldig, weil sie alles wieder hervorgeholt hatte. Er gab sich selber die Schuld, und in mancherlei Hinsicht wohl auch zu recht. Andererseits war er damals noch ein halbes Kind gewesen, und es war alles vor so langer Zeit passiert.
Aber wie sollte sie ihm je dabei helfen, das auch so zu sehen? Er lebte schon seit mehr als dreihundert Jahren mit dieser Schuld.
Während sie dalag und dem Geräusch der laufenden Dusche lauschte, fürchtete sie, dass sie Gefahr lief, sich in ihn zu verlieben, in einen mürrischen, komplizierten, launischen Mann. Ein Mann, von dem sie tief im Innern wusste, dass er ihnen beiden wehtun würde.
18
Es war eine kühle, klare Nacht, und
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