Krieger des Lichts: Ungezähmtes Herz (German Edition)
es wissen. Wind und Horse haben mich begleitet.«
»Wie lange hast du gebraucht?«
»Fast ein Jahr. Wegen des Mangels an Strahlung waren wir so schwach wie Welpen, als wir ins Haus des Lichts zurückkehrten. Doch in dem Tempel, den ich nur einmal mit dir zusammen besucht hatte, fand ich die Feuer erloschen vor und keinerlei Anzeichen mehr von Magie. Da war nichts Lebendiges, und ich glaubte, du wärst tot.«
Schmerzliche Erinnerungen trübten seinen Blick, und einen kurzen Moment lang erkannte sie das furchtbare Leid, das sie ihm zugefügt hatte. Sie streckte die Hand aus und berührte seine Wange.
»Es tut mir leid.«
Der Schmerz in seinem Blick verschwand, wurde von männlichem Stolz verdrängt. Doch er hob sie auf seinen Schoß und hielt sie im Arm, was einen abgrundtiefen Schmerz in ihrem Herzen auslöste, als sie sich wünschte, dass die Dinge zwischen ihnen nicht so kompliziert wären.
Als sie sich wünschte, er könnte wieder ihr gehören.
Wulfe führte Xavier in die Küche. Der junge Mann grinste und zeigte damit seine Gefühle in einer Offenheit, die die meisten sehenden Menschen schon vor langer Zeit zu verbergen gelernt hatten. Mit einer Hand am Oberarm des Jungen schob Wulfe ihn zur Kücheninsel in der Mitte des Raums und blieb dann stehen, als Pink von ihrer Arbeit aufblickte. Sie war gerade dabei, Zutaten in einer Schüssel zu mischen.
»Xavier hat angeboten, dir zu helfen, Pink.«
Die Vogelfrau erstarrte. Obwohl sie kein Wort sagte, war klar, dass er sie beleidigt hatte.
Wulfe räusperte sich. »Lass es mich anders sagen: Xavier ist ein Mensch und blind, und wir schaffen es nicht, ihm seine Erinnerungen zu nehmen.«
Der Ausdruck in Pinks Vogelaugen wurde weicher, als sie begriff.
»Unsere Möglichkeiten sind begrenzt.« Wulfe zuckte die Achseln. »Ich dachte, du könntest vielleicht einen Gehilfen gebrauchen.«
Sie musste nicht fragen, was die Alternative wäre, wenn sie sich weigerte. Pink mochte zwar am Anfang ablehnend gewirkt haben, doch sie verstand sofort und besaß ein gutes Herz.
»Dann würde ich mich über deine Hilfe freuen, Xavier.«
»Cool!« Der Mensch tastete sorgfältig alles vor sich ab und streckte ihr dann die Hand entgegen, wohl um die ihre zu schütteln. »Nett dich kennenzulernen, Pink.«
Pink rührte sich nicht. Als Xaviers Lächeln verblasste und er die Hand langsam sinken ließ, flog sein Kopf hilflos zu Wulfe herum.
Zum Teufel, nur weil der Junge nicht sehen konnte, bedeutete das nicht, dass er es nicht zu wissen brauchte.
Er legte eine Hand auf Xaviers Schulter und erklärte ihm: »Pink hätte eine Gestaltwandlerin werden sollen, Xavier, doch dann ist noch vor ihrer Geburt das Tier in ihr bei einem Unfall ums Leben gekommen und hat ihr eine Anomalie vererbt. Sie ist halb Frau, halb Flamingo. Ihre Hände sind wie unsere, aber sie sind mit Federn bedeckt.«
Xavier lächelte über das ganze Gesicht. »Cool. Wenn du mir nicht die Hand schütteln willst, Pink, dann sag’s einfach. Ich kann deinen Gesichtsausdruck oder deine Körpersprache ja nicht lesen, deshalb funktioniert subtil bei mir nicht. Sag mir einfach, was ich tun soll und was nicht. Oder brat mir eins mit dem Nudelholz über. Mein Schädel ist sehr dick. Meine Schwester kann davon ein Lied singen.« Der Junge grinste. »Du kannst meine Gefühle nicht verletzen. Glaub mir, ich habe schon alles gehört: dass ich unheimlich bin, dass meine Augen unkontrolliert durch die Gegend rollen, dass ich zu breit grinse und meine Miene nicht normal ist. Es ist schwer, ein ›normales‹ Gesicht zu machen, wenn man nie eines gesehen hat.« Er lächelte sanft und freundlich. »Wenn du mit meiner Andersartigkeit klarkommst, hab ich mit deiner auch keine Probleme.«
Oh ja, sie würden schon einen Weg finden, damit dieser Junge am Leben bleiben konnte.
»Xavier?«, sagte Pink ruhig. »Ich würde mich freuen, dir die Hand zu schütteln.«
Das Grinsen des Jungen wurde breiter, als er ihr die Hand reichte, und zwar so langsam, als wollte er sie nicht erschrecken. Als Pink ihre gefiederte Hand in seine legte, verwandelte sich die Miene des Menschen in erstauntes Entzücken. Obwohl Wulfe wusste, dass sowohl er als auch Pink darauf warteten, war da nicht die kleinste Spur von Ekel zu sehen.
»Deine Federn fühlen sich … weich an. Wirklich toll.«
»Danke, Xavier.«
Lachend ließ Xavier ihre Hand los. »Also, sag mir, was ich tun soll. Bis ich mich irgendwo zurechtfinde, bin ich zwar langsam, aber ich kann mich um
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