Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
eindringende Pöbel sich zu Füßen des zwar durchaus echten Römers, doch durchaus unechten Papstes wand und ihn vor Begeisterung fast erdrückt hätte. 5
Anderntags aber inthronisierten die in Rom gebliebenen Purpurträger im Vatikan den Calabresen Bartolomeo Prignano, und die Römer, inzwischen gelassener, waren nun mit ihm, dem Italiener immerhin, einverstanden.
Nur die Kardinäle zeigten sich schon bald nicht mehr mit ihrer Wahl zufrieden.
Erzbischof Bartolomeo Prignano, jetzt Urban VI. (1378–1389), aus einer nur mittelmäßigen Position in der Klerikalhierarchie völlig unverhofft an die Spitze der Christenheit gelangt, hatte ganz offensichtlich erhebliche Probleme, den kolossalen Karriereschub zu verkraften.
Bisher ein brauchbarer Funktionär, ein administratives Talent, sparsam, gewissenhaft, dienstwillig, offenbarte er nun jäh einen ganz andren Charakter, ein hypertrophes, keinerlei Widerspruch duldendes Selbstbewußtsein. Er zeigte immer häufiger psychopathische Züge, extremen Jähzorn, rücksichtslose Überheblichkeit. Er sprang selbst mit Fürsten verletzend um, beleidigend, ebenso mit seinen Kardinälen, die sich nicht weniger als Fürsten fühlten, auch wahrhaft fürstlich lebten, fast jeder pars pro toto mit hundert Pferden und Einnahmen aus bis zu zwölf Bistümern, Klöstern.
Bereits im ersten Konsistorium geißelte Urban – trotz langer Kurientätigkeit nie Kardinal geworden – sowohl von obsessiven Haßgefühlen wie von seinem reformerischen Rigorismus her den Lehensstil der ihm bislang Vorgesetzten, ihre Selbstsucht, ihren Reformunwillen, ihr eitel-pompöses Treiben, kurz, er stieß sie derart vor den Kopf, daß der Kardinal Robert von Genf mit der Bemerkung an ihn herantrat: »Ihr habt heute die Kardinäle nicht mit der Achtung behandelt, welche sie von Euern Vorgängern empfingen. Ich sage Euch in Wahrheit, wie Ihr unsere Ehre mindert, so werden auch wir die Eure mindern.«
Mit seinem starren, selbstherrlichen Konfrontationskurs brachte Urban VI. die meisten Kardinäle rasch wider sich auf, obwohl sie ihn ja erst gewählt, gekrönt, auch aller Welt als kanonisch eingesetzt angezeigt und entsprechend respektiert hatten. Doch bald fanden sie ihn unerträglich, hielten ihn für unfähig, wenn nicht für geistesschwach. Sie übersiedelten, die sommerliche Hitze vorschützend, Ende Mai, Anfang Juni, nach Anagni, schimpften dort den Papst, der seinerseits nach Tivoli ging, Eindringling, einen Tyrannen, Apostaten, Antichristen und kündigten ihm die Gemeinschaft. Sie nannten seine unter dem Druck der Römer erzwungene Erhebung ungültig, erklärten den apostolischen Thron für vakant und wählten am 20. September 1378, auf den Rückhalt des französischen und neapolitanischen Hofes vertrauend, in der Kathedrale zu Fondi (Königreich Neapel) den Kardinal Robert von Genf, den »Blutmann«, den »Henker von Cesena«, zum Papst. 6
Clemens VII. (1378–1394), wie sich der 36jährige nannte, hinkte und schielte, tendierte zu Militär und Krieg, versierter wohl zur Politik. Er liebte verschwenderischen Lebensstil, die pompöse Hofhaltung, sprach Französisch, Italienisch, Deutsch, Latein. Als Sohn des Grafen Amadeus III. von Genf dem Hochadel entstammend, war er mit vielen Fürsten, mit dem französischen König, dem deutschen Kaiser verwandt und wurde schon als Kind von seinem Onkel Gui de Boulogne, dem Kardinalbischof von Porto (der seinem Haus das Königreich Neapel zu gewinnen suchte), pfründenreich gefördert. Mit 19 Jahren Bischof, mit 29 Kardinal, veranstaltete Robert als Legat Gregors XI. mit dessen bretonischen Söldnertruppen einige Massaker im Krieg gegen Florenz, besonders die Bluttat von Cesena (S. 153). Und mit seiner Wahl zum Papst beschwor die Kirche selbst das Große Abendländische Schisma herauf, den fast vierzig Jahre dauernden, die sogenannte moralische Autorität des Papsttums weiter mindernden Kampf der Stellvertreter Christi gegeneinander, der durch die Parteinahme der Landesherren auch hochpolitisch wurde. 7
Die einzelnen christlichen Länder traten dabei entweder nahezu gleich oder nach längerer Neutralität, nach eingehenden Untersuchungen, Prozeßverfahren, dem Befragen von Universitäten und Juristen, auf die eine oder andere Seite; manche wechselten auch die Partei, einige sogar mehrfach, wie Neapel und Portugal.
Frankreich bekannte sich unter Karl V. bald zu Clemens VII., dessen Anerkennung der König allen Untertanen zur Pflicht machte, da Clemens nicht zu
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