Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt
meine Querflöte in bester Gesellschaft.
Ich hatte das löchrige Chromrohr nach meiner Zeit als junger Musikant eine Zeitlang als Ausströmer in meinem Zweihundertliterwarmwasseraquarium verwendet, bis alle Fische entweder durch Metallintoxikation eingegangen oder in den Klappen der Grifflöcher stecken geblieben und infolge des Bewegungs- und Futtermangels ebenfalls verendet waren.
Das Mundstück hatte ich damals mittels einer ausgeklügelten Drahthalterung in der Toilette direkt unterhalb der Wasserzufuhrrille verankert. Es war ein idealer Behälter für schmale WC-Duftsteine und reduzierte deren Verbrauch um fast 32 %. Später diente mir das Mundstück wechselweise als Teigschaber und, in heißem Wasser erhitzt, als Bierwärmer für eisgekühltes und dadurch für meinen empfindsamen Magen zu kaltes Bier. Zu dieser Zeit war der Aquariumausströmer mangels Fischen entbehrlich geworden, und ich konnte ihn um einskommazwei Zentimeter verkürzt als Garderobenstange im damals noch dreiteiligen Kleiderschrank verwenden.
Später, nachdem Charlotte ausgezogen war, war die Querflöte in ihren Einzelteilen in der Garage beim Altmetall gelandet. Nachdem der Flötenkoffer, in Unter- und Oberteil getrennt, eine neue Verwendung in Form zweier Blumenkästen gefunden hatte, waren die Flötenteile in einem der wenigen Tupperbehältnisse endgelagert, die Charlotte nicht zu Horst-Udo mitgenommen hatte.
Sie hatte an den Polstern Schimmel und an den Metallklappen leicht Grünspan angesetzt. Die Federn waren angerostet, der Kork hart wie Stahl, und der Ton, den ich dem mühevoll zusammengesteckten Gesamtinstrument zu entlocken versuchte, erinnerte an eine Kreuzung von Didgeridoo mit Keuchhusten und heiserem Eichelhäher. Doch für einen Aushilfsjob bei Pepe Plasmas Blasmusik würde es reichen müssen.
Jetzt brauchte ich nur noch eine Piccoloflöte, und zwar schnell und billig.
Digtrom
So führte mich mein Weg an jenem nebelverhangenen Oktobermorgen mal wieder zu Joe’s Music Outlet , einem Laden im Industriegebiet von Kluftern an der Knatter im Bodenseehinterland.
Joe begrüßte mich als alten Bekannten und ließ die Trompete, an der er gerade in seinem Akustiklabor herumgeschraubt hatte, unter dem Lötkolben liegen. Ich fragte ihn nach einer gebrauchten Piccoloflöte.
»En Miniwaagrechthobel brauchsch? Holz oder Silber? Hano, mir gugged mol, was i han!«
Bestürzt nahm er die Nachricht vom Ableben Langfried Schiebers entgegen, der am Vormittag seines Todes noch bei Joe’s Music Outlet vorbeigeschaut hatte, wie Joe mir erzählte.
»Ihr kanntet euch?«, fragte ich erstaunt.
»Ja freilich«, erwiderte Joe in seinem Bodenseeschwäbisch, »du weisch doch, bei mir lasset älle repariera, ob se beim Tschäims Laascht oder beim Ernscht Huddr spielet. Qualität isch gfragt.«
»Und was wollte Schieber bei dir? Eine neue Posaune kaufen? Oder seine alte reparieren?«
»Noi. Sei Alte isch vor zwoi Monat auszoga, und für a neue Posaun’ hat er koi Geld ghet. Er isch wega seiner Erfindung komma.«
»Was für eine Erfindung hat Langfried denn gemacht?«, fragte ich, neugierig geworden.
»Eigentlich darf i jo gar nix sage, aber jetzt, wo er em himmlischa Posaunechor mitspielt …« Er wischte sich mit dem Ärmel eine Träne aus dem Auge. »Der hat fei’ ebbes auf em Kaschta ghet, des hat dem keiner zu’traut! Komm’ mal mit!«
Joe führte mich durch seine Werkstatt, in der Blech in allen Stimmlagen auf Ausbeulen und Löten wartete, in den nächsten Raum, der als Holzlager diente und wo sich Klarinetten und Flöten wie Knochen in einem Beinhaus stapelten.
Er zog einen schmutzigen roten Vorhang beiseite, und ich folgte ihm in sein Allerheiligstes, das ›Stimmzimmer‹. Wie oft hatte er mich früher hierher mitgenommen, um die Stimmung zu testen.
Die Ausstattung des Raums war ganz auf den Zweck abgestimmt. Um eine perfekte Akustik zu gewährleisten, hatte er Bierkästen mit der Öffnung seitlich als schalldämpfende Hohlkörper bis unter die Decke gestapelt und hielt stets sein Augenmerk darauf gerichtet, dass die vollen Flaschen der jeweils neuen Elemente Abend für Abend geleert wurden, da nur so eine gewisse akustische Trockenheit gewährleistet wurde.
Bei Tag ersetzte er die leeren und damit ihres Werts enthobenen Akustikelemente wieder durch volle, und der Prozess der akustischen Feinjustierung des Raums begann erneut. Die Stimmung in Joes Stimmzimmer war so jederzeit perfekt, was ständige Tests bewiesen.
Heute
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