Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
eine durchgängig geschlossene Wolkendecke«, setzte Nelly ihr auseinander. Es hatte auch durchgängig geregnet. Wenn es vergangene Woche schon schlimm gewesen war, dann jetzt noch schlimmer.
Kris war inzwischen auf den Beinen. An der Tür fiel ihr ein, dass sie die Meldung an den Colonel weitergeben müsste, aber dieser war gerade nach Süden unterwegs, und das Problem stellte sich im Norden. Sie nahm zwei leere Memofolien von einem Stapel neben den Funkgeräten, kritzelte darauf eine kurze Mitteilung des Inhalts, wohin sie unterwegs war und aus welchem Grund, und ließ eine davon im Funkraum zurück und die andere auf dem Schreibtisch des Colonels, während siehinab zur Krankenstation stürmte. »Wir haben es mit einem Ausbruch des Grearsonfiebers zu tun, über sechzig Kilometer flussaufwärts an einer Stelle, die überflutet zu werden droht«, gab sie dort bekannt.
Der Doc hatte die Füße auf dem Tisch liegen und las in einer Ärztezeitschrift. »Oh Scheiße!«, sagte er und knallte die Füße auf den Boden. »Das kann zehnmal so schlimm werden wie der Typhus vergangenen Monat! Wir hatten seit dreißig Jahren keinen Ausbruch von Grearson mehr.«
»Nun, jetzt haben wir einen. Wer begleitet mich?«, fragte Kris.
»Hendrixson könnte noch Blutungen haben«, sagte der Sanitäter. »Ich vermute, dann bin ich es.« Er fing an, eine Tasche vollzupacken.
»Wenn dort Grearson um sich greift, Danny, dann wirst du es mit allerlei opportunistischen Erregern zu tun bekommen«, seufzte der Doc und machte sich daran, die Tasche des Sanitäters mit eigenen Zutaten zu füllen.
»Erwarten Sie mich an der Anlegestelle des Lagers; ich hole den Impfstoff«, sagte Kris, während sie im Laufschritt zur Tür strebte. »Wie viele Menschen leben in dem Tal?«, fragte sie Nelly.
»Zweihundertsiebenunddreißig.«
»Dann nehmen wir zweihundertfünfzig Impfdosen mit. Weise jemandem im Lager an, danach zu suchen.«
»Ich habe sie schon gefunden. Ich sag Jeb Bescheid, dass er sie holen soll.«
»Ensign Lien!«, rief Kris übers Netz. »Was machst du gerade?«
»Ich stecke bis zum Hals in kaputten Lkw-Teilen«, antwortete Tommy.
»Stoße am Lagertor zu mir. Wir haben ein Problem.«
»Und sollte ich lieber mein Gewehr mitbringen?« Er seufzte.
Kris sammelte ihren Geleitschutz ein, als sie zum Tor hinauslief. Sie ignorierte die Frauen, die ein paar Dutzend Meter hinter ihr einhertrabten. Jeb kam ihr mit einem Elektrokarren entgegen, auf dessen Pritsche drei kleine Kisten mit Medikamenten standen. »Das sind dreihundert Einzeldosen, aber sofern ich die Etiketten nicht falsch gelesen habe, sind sie vergangenen Monat abgelaufen.«
Kris sprang auf den Wagen. »Anlegestelle«, sagte sie und stellte über den Kommlink eine Verbindung zur Krankenstation her. »Doc, unser Impfstoff gegen das Grearsonfieber ist vergangenen Monat abgelaufen. Können wir ihn trotzdem benutzen?«
»Verdammt!« Er legte eine kurze Unterbrechung ein. »Möglicherweise. Vielleicht eine etwas höhere Dosis als normal. Verdammt, ich kann nicht glauben, dass ich das sage!«
»Wir haben dreihundert Einzeldosen für zweihundertfünfzig Menschen. Vielleicht sollten Sie lieber anfangen, neuen Impfstoff herzustellen.«
»Wir können niemals genug herstellen, wenn das Zeug ins Wasser gerät.«
»Verstanden, Doc. Wir müssen verhindern, dass der Erreger in den Fluss gelangt.« Wenn jetzt nur noch der Fluss mitspielte und die Ranch in Ruhe ließ.
Der Kranlaster war fort, ebenso zwei der Multiformboote. Kris nahm Kurs auf die Kiste, die dem Wasser am nächsten stand, und aktivierte die kleine Tastatur. Eine Bedienungsanleitung erschien auf einem kleinen Monitor. Nachdem sie mehrere Fenster durchgelesen hatte, drückte Kris die 6 auf der Tastatur. Wie versprochen, erzeugte sie damit ein Doriboot/motorisiert. Mit zehn Metern Länge und zwei Metern Breite wies es einen hochgezogenen Bug auf, einen flachen Boden und eine eckige Lenksäule mittschiffs mit einem Rad an einer Seite sowie Tastatur und Monitor auf der anderen. Kris nahm in Augenschein, was sie da produziert hatte, und befand es für gut. Jeb unterbrach ein Dutzend Männer, die Sandsäcke auf dem Deich aufschichteten, um dem steigenden Wasser der Bucht zu begegnen, und sie wuchteten das Boot ins Wasser, nur wenige Zentimeterunterhalb der Betonwand. Jeb teilte seine Arbeitsmannschaft auf; eine Hälfte fuhr damit fort, den Deich zu erhöhen, die andere Hälfte marschierte zum Lager, um Vorräte zu holen.
»Wer
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