Kris Longknife: Unter Quarantäne: Roman (German Edition)
ist«, sagte Kris und öffnete die Fahrzeugtür. »Das erfahre ich jedoch erst, wenn ich mich umgesehen habe. Ich gehe mal ein paar Blocks weit und sehe, ob ich die Stelle entdecke.« Sie stieg aus, blickte kurz über das Wohngebäude hinweg und steckte den Kopf wieder ins Taxi. »Wenn ich hier nicht richtig bin, brauche ich vielleicht drei oder vier Blocks weiter wieder ein Taxi.«
»Dann finden Sie vielleicht auch eines – vorausgesetzt, Sie halten scharf genug Ausschau.«
Kris stapfte langsam den rissigen Bürgersteig entlang. Männer und Frauen, die für schmutzige Arbeiten gekleidet waren, kreuzten ihren Weg, wichen Autos aus und durchquerten zwei schwerbewachte Tore in einem hohen Zaun, der stark mit Stacheldraht gesichert war. Niemand betrat dieses Gelände ohne Einladung.
Also schickte Nelly Nanospione auf den Weg. Kris achtete sorgsam darauf, der Fabrik keinen Blick zu widmen. Innerhalb einer Stunde würde sie auch so alles erfahren, was es rauszukriegen gab. In diesem Augenblick jedoch wusste sie noch nichts, und so würde es zunächst bleiben. Eine ihrer Entscheidungen vom Vorabend war es, auf Telemetrie zu verzichten. Das Risiko, entdeckt zu werden, war dabei zu groß. Wie die historische Mata Hari würden die Minispione, die sie im Einsatz hatte, nur persönlich Meldung machen.
Kris ging fünf Blocks weit und hatte das Ende der Fabrikanlage erreicht, als sie ein Taxi entdeckte. Es parkte auf der anderen Straßenseite … leer.
Während sie nervös auf Grün wartete, rang Kris mit sich, ob sie nicht an dem Taxi vorbeigehen sollte. Sie sah keine Polizeifahrzeuge, keinerlei Hinweise darauf, dass jemand festgenommen worden wäre. Sie überquerte die Straße, als die Fußgängerampel den Verkehr gestoppt hatte, und holte erleichtert Luft.
Abu kniete auf dem Bürgersteig auf dem Gebetsteppich und verneigte sich gen Osten. Kris wollte schon an ihm vorbeigehen, aber er stand von seinem Gebet auf. »Meine Dame, Sie sehen danach aus, als könnten Sie eine Fahrt gebrauchen.«
»Das könnte ich gewiss«, pflichtete ihm Kris bei.
»Die Pflichten, die das Geschäft und meine Kinder mit sich bringen, haben mich am Gebet zum Sonnenaufgang gehindert, aber Allah ist höchst verständnisvoll. Jetzt, wo ich meine Morgengebete gesprochen habe, gestatten Sie mir, mit meinen Pflichten Ihnen gegenüber fortzufahren.«
Kris traf Anstalten, auf dem Rücksitz Platz zu nehmen, aber Abu fasste sie kurz am Ellbogen und deutete auf den Beifahrersitz. »Wenn ich Sie schon herumfahre, ohne dass das Taxameter läuft, sollten Sie lieber nach der Tochter meiner Schwester aussehen«, sagte er und deutete auf die beiden Lichter am Schild auf dem Fahrzeugdach. Kris setzte sich auf den angebotenen Platz, während Abu zur Fahrerseite hinüberging. Er fädelte sich in den Verkehr ein und fuhr fort: »Falls man Abu sieht, wie er mit einer attraktiven jungen Ungläubigen herumfährt, werden manche Leute reden oder Fragen stellen. Falls Sie jedoch eine angemessen sittsame Kopfbedeckung trügen, würden weniger Fragen gestellt.«
»Ich besitze keinerlei Kopfbedeckung«, erklärte ihm Kris. Sie hatte nicht mal mehr eine Tiara, da von der alten kaum etwas übrig war, nachdem Nelly das ganze Smart Metal benutzt und auch das Gold eingesetzt hatte, um ausfahrbare Antennen herzustellen.
»Sie finden ein anständiges Kopftuch im Handschuhfach. Meine Frau hat es dort zurückgelassen. Manchmal sucht sie Ecken der Stadt auf, wo ein Kopftuch nicht respektiert wird. Allah ist höchst verständnisvoll, im Gegensatz zu manchen Leuten.«
»Ist es schwierig, Ihrem Glauben zu folgen?«
»Ist es schwierig, eine Longknife zu sein, so anders zu sein?«
»Ja«, antwortete Kris.
»Dann hat Ihnen Allah vielleicht ein wenig von dem gezeigt, was er seinen Gläubigen sendet.«
»Könnten Sie hier abbiegen?«
Abu wechselte die Spur und bog nach links ab. Sie waren einen Block weit über die Fabrik hinausgefahren und hatten ein Gebiet voller Restaurants, Kneipen und kleiner Apartments erreicht.
»Möchten Sie hier aussteigen?«
»Ja, ich muss mich ungefähr eine halbe Stunde lang hier aufhalten, vielleicht länger.«
Abu runzelte die Stirn, während er an den Bürgersteig heranfuhr. »Das ist keine gute Gegend, um sich herumzutreiben. Ich werde weiterfahren müssen.«
»Ich werde Sie über Nelly rufen«, sagte Kris beim Aussteigen.
»Lassen Sie das Kopftuch hier. Das ist keine Gegend für eine Gläubige.«
»Ich kann auf mich achtgeben«,
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