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Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft

Titel: Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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erinnerte sie sich an die letzte Nacht, als sie auf dem SeaTac-Flughafen gelandet waren. Mom hatte Lina in ein Taxi gesetzt und sie nach Hause geschickt.
    In dieses leere Haus, wo überall Bilder von Francis hingen. Wohin sie auch schaute, es war, als ob sie ihn überall sah, spürte, hörte. Schließlich war sie aus ihrem Zimmer gerannt, hatte sich auf die Verandaschaukel gehockt - auf die, die er ihnen letztes Jahr zu Weihnachten gekauft hatte - und hatte geweint und geraucht, bis ihre Mutter heimgekommen war.
    »Tut mir Leid«, sagte sie und blickte zu Jett auf. »Ich glaube, ich hab keine mehr.«
    Seine Enttäuschung war offensichtlich. »Kein Problem.«
    So standen sie noch einen weiteren Moment da, warteten darauf, dass die anderen kamen. Gestern hätte sie versucht, mit ihm zu sprechen, hätte versucht, irgendein Thema aus der frostigen Luft ringsum zu greifen und sich an jedes Wort geklammert, das er ihr gab, aber heute war sie zu müde, um auch nur diese Mühe aufzuwenden.
    Sie hörte das Geplapper ferner Gespräche und blickte in dem Moment auf, als fünf oder sechs Jugendliche über die Hügelkuppe sprangen und nach unten schlitterten. Binnen weniger Sekunden standen alle am Fluss mit brennenden Zigaretten, laut redend und lachend.
    Lina sah sie an, schaute von einem Gesicht zum anderen und spürte ein sich verstärkendes Gefühl von Verwirrung. Warum fühlte sie sich hier, wo sie doch bei ihren Freunden war, so einsam, dass ihr nach Weinen zumute war?
    Es dauerte eine Sekunde, um zu begreifen, dass niemand mit ihr sprach, eine weitere Sekunde, um zu erkennen, dass es ihr egal war.
    Jett zog eine Thermosflasche aus seinem Rucksack und schraubte den Deckel ab. Mit einem Grinsen sagte er: »Kahlüa und Cola. Möchte jemand?«
    Alle jubelten und griffen nach der Thermosflasche. Aber bevor Jeff den ersten Schluck nehmen konnte, tauchte eine weitere Silhouette auf dem Hügel auf.
    »Ihr geht sofort zurück zur Schule. Vor fünf Minuten hat es zum ersten Mal geläutet.«
    Alle blickten gleichzeitig auf und sahen Vicki Owen, die neue Beratungslehrerin, hoch über ihnen stehen. Direktor Smithson, der neben ihr stand, wirkte erschöpft und müde und Lina war von seinem Gesichtsausdruck nicht überrascht. Smithson hatte diesen Hohlweg ein paar tausendmal zu oft kontrolliert, um zu glauben, dass es irgendetwas ändern würde.
    Die Jugendlichen lachten darüber, dass sie erwischt worden waren, und warfen ihre noch brennenden Zigaretten in den Fluss. Lina beobachtete, wie die weißen Kippen wirbelten, sich mit den gefallenen Blättern vermischten und flussabwärts trieben. Ihr kam der Gedanke, dass ein Vogel diesen kleinen weißen Zylinder sehen und sich darauf stürzen könnte, das tödliche, von Menschen geschaffene Ding verschluckte, bevor er verstand, was geschehen war.
    »Du, Lina Hillyard, ich möchte mit dir reden.«
    Es war Miss Owens Stimme. Lina blickte auf und merkte, dass sie die Einzige war, die noch am Fluss stand. Die anderen und Direktor Smithson waren gegangen. Der einzige Beweis dafür, dass sie hier gewesen waren, war eine Rutschspur in dem weichen Lehm, die durch das Laub und den Farn schnitt.
    Lina sprang mit einem Seufzer über den Fluss und erklomm das Ufer. Oben blieb sie neben Miss Owen stehen und sah dann ihre Mutter, nur wenige Meter entfernt.
    Lina verdrehte die Augen. »Toll.«
    Miss Owen trat beiseite, zog sich dann wortlos zurück. Lina schaute zu, wie die Beratungslehrerin über das Footballfeld ging und in der Schule verschwand.
    Schließlich drehte sie sich um und sah ihre Mutter an. Sie stand etwa drei Meter entfernt. Ihr Haar war wirr und ungekämmt, die Augen geschwollen und rot. So hatten sie beide in diesen zwei Tagen seit Francis' Tod ausgesehen. Die Leichtverwundeten.
    »Was willst du?«, sagte sie barsch, obwohl sie wusste, was ihre Mutter wollte - wusste, dass es das war, was sie beide wollten. Trost, Erleichterung von dem heftigen Schmerz. Aber es gab keinen Trost. Lina hatte das schmerzlich erfahren müssen. Es kam einfach wieder, schlängelte sich wie eine Schlange durch die Gedanken, schlug in dem Augenblick zu, wenn man es am wenigsten erwartete. Jedes Mal, wenn das Telefon läutete, dachte Lina, es sei Francis - und dann wuschl, der Schlangenbiss.
    Ihre Mutter schwieg lange, bevor sie sprach. Eine Stille entstand, in der Lina das Krächzen der Krähen hörte und das ferne Winseln eines Laubsaugers. »Vicki Owen rief mich heute Morgen an und sagte mir, wo du bist. Ich

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