Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft
Zärtlichkeit. »Dann hilf mir, dich zu verstehen.«
Er erstarrte und sie merkte, dass er um Selbstbeherrschung rang. »Ich verdiene sein Herz nicht. Ich kann nicht... wie er sein.«
»Oh, Angel«, keuchte sie. »Es würde ihn schmerzen, könnte er hören, dass du das sagst. Das weißt du auch.«
Er wich zurück. »Ich kann nicht für ihn leben. So viel Edelmut habe ich nicht in mir.«
Sie berührte seine Brust, spürte seinen Herzschlag, und mit diesem pochenden Rhythmus kam bei ihr ein Gefühl von Hoffnung auf. »Du hast Francis' Herz, aber deine Seele, Angel. Du hast es in dir, alles zu sein.«
Tränen füllten seine Augen, als er sie ansah. Sie schlang die Arme um ihn und zog ihn an sich. Er vergrub das Gesicht in ihrer Nackenbeuge. Sie streichelte sein Haar und wiegte ihn sanft, sagte ihm wieder und wieder, dass alles gut sei.
Schließlich löste er sich von ihr. »Ich habe Angst, Maddy...« »Ich weiß.«
»Ich weiß nicht, wohin ich von hier aus gehen soll, wohin Francis mich gern gehen sehen würde.« »Geh das ganz langsam an. Schritt für Schritt.« Er lachte. »Du klingst wie mein Berater in der Entzugsklinik.«
Sie lächelte. »Wohin willst du von hier aus gehen, Angel? Warum fängst du nicht damit an?«
Er blickte auf sie herab und sie hätte schwören können, dass Liebe in seinen Augen war. »Nach Hause«, sagte er einfach. »Ich will nach Hause gehen.«
Kapitel 23
Er weiß, dass die Nacht jetzt kälter wird. Er kann Beweise für den Frost sehen, auch wenn er ihn nicht spüren kann. Der Himmel hat sich zu einem dichten Schwarz verwandelt, so wie er es oft in diesen schwindenden Novembertagen tut. Bäume schmiegen sich längs der Straße aneinander, und wenn er sehr aufmerksam lauscht, kann er sie miteinander flüstern hören, erschauern vor dem Frost. Er fragt sich, warum er sie nie zuvor reden gehört hat.
Aber jetzt hört er so viele verschiedene Dinge - das prasselnde Trommeln von Regentropfen, wenn sie auf den Zaun fallen, den sanften Aufprall eines abgefallenen Blattes. Selbst das Sternenlicht macht ein Geräusch, ein leises, brummendes Surren, das ihn an die Bienen erinnert, die sich an den ersten Tagen des Hochsommers in ihrem Rosengarten versammeln. Alles macht ein Geräusch, wie es scheint, bis auf die Schaukel auf der Veranda, die schwer und still unter ihm hängt. Und bis auf ihn. Er ist das stillste Ding von allen.
Die Tiere in der Umgebung wissen, dass er hier ist. In Nächten wie diesen, wenn es kalt und dunkel ist, schleichen sie an dem Haus vorbei, haben ihre goldenen Augen auf ihn gerichtet, ihr Fell gesträubt. Wenn er sie sieht, glaubt er etwas zu fühlen, ein Kitzeln in seinen Fingerspitzen, das sich wie eine Erinnerung anfühlt, als ob er sich erinnern könnte, wie weich sie gewesen sind, wie tröstend es einmal gewesen war, eine Hauskatze zu streicheln. Aber das Kitzeln ist Einbildung. Er weiß, dass er keinen richtigen Tastsinn mehr hat. Er erinnert sich nur, weil es ein schönes Gefühl ist, sich zu erinnern, und er sonst nichts zu tun hat.
In der Ferne biegt ein Auto in Richtung Haus ab. Die Scheinwerfer spähen in hellgelben Lichtkegeln voraus. Die Bäume schweigen, wenn das Licht sie berührt. Der Wagen wendet und parkt am Bordstein. Die Lichter gehen aus.
Er hört das Geräusch einer Tür, die geöffnet wird, dann den leichten Rhythmus von Schritten, während Angel um den Wagen herumgeht und die andere Tür öffnet. Im Licht der schwachen Innenbeleuchtung sieht er Madelaine auf dem Beifahrersitz.
Sie steigt aus dem Wagen aus. Die Straßenlaterne wirft ein Netz von goldenem Licht um sie und das Bild erinnert ihn an Ikonen, die er gesehen hat. Sie lächelt zum ersten Mal seit Tagen. Er weiß instinktiv, dass es Angel ist, der ihr ihr Lächeln zurückgegeben hat.
Es sollte schmerzen, zu sehen, wie sie einen anderen Mann mit liebevollen Augen ansieht, und so wartet er darauf, dass der Schmerz kommt, aber es passiert einfach nicht, und das Ausbleiben überrascht ihn.
Er weiß, dass er noch Schmerz empfinden kann. Er hatte ihn früher an diesem Tage gespürt, als Madelaine vor das Haus trat. Ihre Augen waren vom Weinen geschwollen und rot und er wusste, dass sie um ihn geweint hatte. Es hatte ihn geschmerzt, als er sie dort auf der Veranda stehen sah, bekleidet mit seinem alten Hemd. Tief, tief in ihm, an der Stelle, wo einmal sein Herz gewesen war.
Aber jetzt lächelt sie und ist so strahlend schön, dass es ihm sehr schwer fällt, gleichmäßig zu atmen. Sie
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