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Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft

Titel: Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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zu ihm, um ihn anzusehen. Ihre Lippen geöffnet zu einer stummen Bitte, einer Einladung.
    Er richtete sich vom Boden auf und streckte die Hände nach ihr aus. Sie sah, dass er sich langsam bewegte, als fürchte er, sie würde sich abwenden.
    Sie blieb bewegungslos. Seine Hand streifte über ihren nackten Arm und löste eine Gänsehaut aus. »Angel...« Sein
    Name kam ihr in einem atemlosen Flüstern des Sehnens über die Lippen.
    Sie starrte in seine grünen Augen, hypnotisiert von den Möglichkeiten, die sie darin sah. Sie wusste mit solcher Gewissheit, wie sie noch nie in ihrem Leben etwas gewusst hatte, dass er nicht mehr der Junge war, der er mit siebzehn gewesen war. In seinen Augen war ein tiefer Schmerz, der neu war, eine Furcht und ein Bedauern, das sie verstand. Er war auf seine Art in diesem Augenblick ebenso verängstigt wie sie. Und dies zu sehen, seine Furcht und seine Unsicherheit, war wie das Streicheln eines warmen, tröstenden Windes ihrer eigenen Unsicherheit.
    Dann küsste er sie, eine leichte, wehende Berührung von Lippen, die irgendwie tiefer in ihre Seele drang, als es jedes Liebesspiel vermochte. Sie schlang die Arme um ihn und hielt ihn fest. Nacheinander schienen die Jahre von Einsamkeit und Verlust von ihr zu fallen. Als er sich zurückzog, sah sie das gleiche dämmernde Gefühl von Staunen in seinen Augen, das ihr eigenes Herz erfüllte.
    »Ach, Madelaine«, sagte er. Nur das und sonst nichts, und doch schien es alles zu sein.
     
    Um zwanzig vor eins schaltete Lina den Fernseher aus und stand auf. Zum zehnten Mal in ebenso vielen Minuten warf sie einen Blick auf die Uhr, die auf dem Kaminsims stand. Der rotbraune Truthahn aus Pappmache, den sie im Kindergarten gebastelt hatte, stand dicht daneben, eine jährliche Erinnerung daran, dass das Erntedankfest bevorstand.
    Wo, zum Teufel, war Mom?
    Sie verschränkte die Arme und ging in dem Zimmer auf und ab. Sie hatte alle Lichter in dem Raum eingeschaltet, aber noch immer schien es dunkel hier zu sein, ein wenig einsam. Es war das erste Mal, dass sie jemals so spät allein in ihrem Haus war. Wann immer Mom zum Noteinsatz im Krankenhaus gerufen wurde, kam Francis sofort herübergefahren, um Lina Gesellschaft zu leisten.
    Der Gedanke erinnerte sie wieder daran, wie sehr sie Francis vermisste, und sie seufzte schwer. Sie ließ sich in den großen, schwer gepolsterten Sessel neben der Haustür fallen und blieb dort sitzen, wartete und klopfte mit dem Fuß ungeduldig auf den Holzboden.
    Ihre Mutter hatte kein Recht, so spät noch aus zu sein -wusste sie nicht, dass Lina krank vor Sorge sein würde? Als Lina vorher mit Angel gesprochen hatte, sagte er, er wolle abends mit ihrer Mutter reden. Reden. Und wo waren sie?
    Sie warf einen Blick auf das Telefon und überlegte, ob sie die Krankenhäuser anrufen sollte. Sie war schon im Begriff aufzustehen, besann sich dann aber anders. Es war lächerlich, sich solche Sorgen zu machen. Ihre Mutter war dreiunddreißig Jahre alt. Wenn sie wollte, konnte sie die ganze Nacht fortbleiben.
    Aber das war untypisch für ihre Mom. Madelaine war viel zu verantwortungsbewusst, um so etwas zu tun.
    Es war Angels Schuld.
    Plötzlich dachte sie über Angel nach. Schließlich, was wussten sie denn schon wirklich über ihn? Er war wie ein Wirbelwind in ihr Leben gekommen, mit Lächeln und Versprechungen und Spaß. Aber er stand in einem schlechten Ruf - was, wenn er ihn verdient hatte, was, wenn er mit jeder Frau schlief und ihre Namen am nächsten Morgen vergessen hatte, was, wenn er in Wirklichkeit ein Massenmörder war und die Polizei wegschaute, weil er Angel DeMarco war, was, wenn ...
    »Reiß dich zusammen, Lina«, sagte sie laut und versuchte, die Besorgnis zu verdrängen. »Mom geht's gut. Wahrscheinlich hat sie ihn dazu gebracht, mit fünfzig zu fahren und einen Sturzhelm zu tragen.«
    Aber sie konnte selbst nicht glauben, was sie sich einzureden versuchte. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Sie erinnerte sich an den Anruf, den sie mitten in der Nacht wegen Francis bekommen hatten, und ihr Herz fing an zu rasen. Sie schaute nervös zum Telefon. Ein solcher Anruf konnte jederzeit kommen, konnte wie ein Blitz ins Wohnzimmer einschlagen und einen brennend zurücklassen ...
    Gerade jetzt brauchte sie Zach, jemand, mit dem sie reden konnte ...
    Aus dem Augenwinkel sah sie draußen Scheinwerfer. »Gott sei Dank.«
    Der Mercedes kam die Auffahrt hoch und hielt an. Die Scheinwerfer erloschen.
    Sie

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