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Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft

Titel: Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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konnte. Und sie wollte nicht, dass ihr Baby diese Kunst erlernte.
    Seufzend erhob sie sich und stand unsicher da. Was sollte sie tun, wenn Lina endlich heimkam?
    Falls sie heimkam.
    Madelaine erschauerte. Sie wollte nicht daran denken, wollte nicht ständig lauschen, ob das Telefon oder die Hausglocke klingelte, darauf warten, dass das Schlimmste eintrat. Sie wollte sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, ob Lina das tun würde, was Madelaine vor so vielen Jahren getan hatte.
    Sie trat an den Kassettenrecorder, der auf Linas Schreibtisch stand, und sah gedankenlos die Musikkassetten und die CDs durch, die daneben gestapelt waren. Ganz unten in dem Stoß steckte das alte Band von Helen Reddy, das sie so oft gehört hatten.
    Sie nahm es heraus, entstaubte die Plastikhülle und öffnete sie. Dann steckte sie die Kassette in das Gerät und drückte auf Play.
    Die Musik glitt auf einer Flutwelle bittersüßer Erinnerungen durch das Zimmer.
    »Das ist nicht fair, Mom«, sagte eine zitternde Stimme.
    Madelaine drehte sich zur Tür um. Lina sah unglaublich jung und verwundbar aus, ein Kind in Erwachsenenkleidung, das Make-up auf ihren blassen Wangen verschmiert. Sie war so klein, ihre Knochen waren so zart wie die eines Vögelchens, ihr Gesicht war schmal und herzförmig. Das Pechschwarz ihres widerspenstigen Haares kontrastierte scharf mit dem blassen, ach so blassen Cremeton ihrer Haut. Haut, die ihre sprühenden, kornblumenblauen Augen noch betonten.
    Madelaine schenkte ihr ein zaghaftes Lächeln. »Hi, Ba... Lina. Ich habe auf dich gewartet.«
    Lina fuhr sich mit einer Hand durch ihr stacheliges schwarzes Haar. »Ja, richtig. Wolltest mir noch mal alles Gute zum Geburtstag wünschen, ja?«
    Madelaine ging langsam auf ihre Tochter zu, blieb aber auf halbem Wege stehen und setzte sich stattdessen auf das Bett. Sie blickte zu ihrer sechzehnjährigen Tochter auf.
    »Ich möchte dir etwas erklären«, sagte sie schließlich.
    »Ja.« Lina zog einen Stuhl hinter dem Schreibtisch hervor und setzte sich. Sie beugte sich vor, legte ihre Ellenbogen auf die Knie und sah ihre Mutter mit einem wütenden Blick durchdringend an. Vier silberne Ohrringe, leiterartig übereinander angebracht, funkelten in ihrem linken Ohr. »Dann erklär mal. Erzähl mir von meinem Dad.«
    Dad. Das Wort wie ein Schnitt mit einem Rasiermesser. Madelaine zuckte zusammen. Er war kein Dad. Ein Dad war immer da, beschützte seine Familie und half, wenn das Baby Fieber oder einen Alptraum hatte. Ein Dad ließ nicht alle sitzen.
    Lina seufzte dramatisch. »Hör mal, Jett wartet da draußen auf mich...«
    »Du triffst dich mit einem Jungen namens Jett?«
    »Willst du nun reden oder nicht? Andernfalls ...«
    »Ich lernte deinen ... Vater kennen, als ich ungefähr so alt war wie du.« Madelaine versuchte zu lächeln. »Es ist eine Geschichte, die du schon Millionen Mal vorher gehört hast. Ich wurde schwanger und er ... er konnte die Stadt nicht schnell genug verlassen.«
    Linas blaue Augen wurden schmal. »Hast du je wieder von ihm gehört?«
    Madelaine versuchte, sich nicht daran zu erinnern, wie lange sie auf einen Anruf, einen Brief, auf irgendetwas gewartet hatte. Versuchte zu vergessen, wie sie noch Jahre später zu Weihnachten geweint hatte. »Nein.«
    »Wie heißt er?«
    Madelaine wusste, dass dies die Frage war, die alles kaputtmachen würde. Gleich, wie sie antwortete, es würde falsch sein. Wenn sie log, würde Lina sie hassen, und wenn sie wahrheitsgemäß antwortete, würde Lina Kontakt zu ihrem Vater aufnehmen. Nur, dass er kein Mann war, der sich über einen mitternächtlichen Anruf - »Hi, ich bin deine Tochter« - freuen würde. Wenn er sein Kind hätte kennen lernen wollen, wäre er nicht einfach gegangen.
    Wenn Lina ihn fand, würde er ihr das Herz brechen. Ein Wort, eine Geste, ein kleines Lachen - alles, was deutlich machte, dass es ihm egal war - würde Lina umbringen.
    »Nun?«, fragte Lina.
    Madelaine wusste, dass sie keine Wahl hatte. Sie hätte das schon vor langer, langer Zeit tun sollen. Aber sie konnte seinen Namen nicht einfach so preisgeben. Madelaine musste mit ihm sprechen, bevor Lina es tat. Der Gedanke daran - der bloße Gedanke, ans Telefon zu gehen und ihn nach all diesen Jahren anzurufen - entsetzte sie. Es würde alles verändern. Gott steh uns bei. »Ich kann dir seinen Namen nicht jetzt gleich sagen, aber...«
    »Lass es.« Lina sprang auf und trat den Stuhl weg.
    »Lass mich ausreden. Ich kann dir seinen Namen nicht jetzt

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