Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft
und Maria Santiago, die seit dreißig Jahren verheiratet waren und glaubten, sie würden das einunddreißigste Jahr nicht schaffen. Sarah und Levi Abramson, deren interkonfessionelle Ehe zu scheitern drohte. Thomas und Hope Fitzgerald, die in ihrer Ehe einen Wendepunkt erreicht hatten, als Hopes biologische Uhr lauter zu ticken begann - unglücklicherweise war es ein Geräusch, das nur sie hören konnte. Und Ted und Janine Canfield, die Probleme damit hatten, Stiefkinder in eine neue Familie zu integrieren.
So gute Menschen, sie alle. Menschen, die sich liebten und Gott und ihre Familien. Menschen, die versuchten, in einer sich auflösenden Welt, die die alten Werte nicht mehr zu würdigen schien, an einer Verpflichtung festzuhalten.
Und sie warteten auf Vater Francis Xavier DeMarco, damit der ihnen den Weg wies.
Er fühlte sich wie ein Betrüger. Was hatte er denn, er, ein Mann, der so wenig erlebt hatte, als Fackel in der Dunkelheit Paaren, die Angst hatten, zu bieten? Er war nie Teil einer liebenden Familie gewesen und hatte niemals eine zusammengehalten. Er hatte nie mit einer Frau geschlafen oder sein eigenes Kind bestraft oder versucht, das Geld aufzutreiben, um Essen auf den Tisch zu bringen. Er hatte niemals einen Job gehabt, in dem er von neun bis fünf arbeiten musste, und mit all diesem Druck gelebt.
So viele Dinge, die er nicht getan hatte.
Er seufzte. Er rückte den breiten Nylongurt seiner Tasche auf der Schulter zurecht und machte die letzten paar Schritte durch das Foyer, die ihn von dem Versammlungsraum trennten. Die vier Paare saßen zurückgelehnt auf den dick gepolsterten Sesseln und Sofas des Raumes. Joe Santiago spielte an einem Tisch in der Ecke mit Janine Canfield Schach. Hope Fitzgerald saß am Kamin, die Arme um ihre angezogenen Beine geschlungen, den Blick traurig auf ihren Mann gerichtet, der steif auf dem Sofa neben Sarah Abramson saß.
Als Francis eintrat, lächelten ihn alle an und sagten hallo, aber er hörte so viel mehr in dem Schweigen, das darauf folgte, als in dem Geräusch, das seine Begrüßung begleitete. Emotionen erfüllten diesen Raum - Traurigkeit, Wut, Kummer, Liebe.
Er krümmte die Finger, fuhr sich mit den Fingerspitzen über die Unterseite des Kinns, während er von Gesicht zu Gesicht schaute, ihre Erwartung sah, spürte, wie deren Gewicht sich auf seine Schultern senkte. Er wollte diesen Menschen helfen.
Doch er wusste, dass er es nicht konnte, das war das Verrückte. Einstmals vielleicht, vor vielen, vielen Jahren, hatte er diesen Raum mit einer Welle von Optimismus betreten können, wobei sein schmaler, weißer Kragen ein schützender Schild gewesen war. Aber damals hatte der Kragen nie an seiner Haut gekratzt, hatte sich nicht so beengend angefühlt, dass er glaubte, nicht atmen zu können. Es war befreiend gewesen, dieses Kratzen von gestärktem weißem Stoff, Beweis dafür, dass er ein getreuer Diener eines Gottes war, den er liebte. Aber mit jedem Jahr, das verging, schien dieses Stück Stoff schmaler und schmaler geworden zu sein, um schließlich zu einer Barriere zwischen ihm und seinen Mitmenschen zu werden.
Und in manchen Augenblicken, so wie jetzt, sehnte er sich danach, den Kragen abzunehmen und stattdessen um Antwort zu bitten. Er wollte sich an Mrs Santiago wenden und sie bitten, ihm zu erzählen, was es für ein Gefühl war, sich jede Nacht dreißig Jahre lang im Bett an denselben Körper zu schmiegen, mit demselben geliebten Gesicht aufzuwachen. Er wollte fragen, ob Liebe ein sicherer Hafen oder eine stürmische See war.
Er wusste, dass er eine Glaubenskrise durchlebte, wusste auch, dass sie sich in nichts von dem unterschied, was Tausende anderer Priester vor ihm erlebt hatten. Aber dieses Wissen tröstete ihn nicht. Er vermisste das heiße Feuer seiner Uberzeugungen - die Liebe zu Gott, die ihn einst in jedem wachen Augenblick erfüllt hatte. Ohne sie fühlte er sich verwirrt ... verloren.
Er fühlte sich ungeeignet, ein Diener Gottes zu sein. Die Erinnerung daran, wie er sich entschlossen hatte, Lina zu verletzen, kribbelte in seinem Gewissen wie eine frische Brandwunde.
»Vater Francis?« Levi Abramsons kratzige Stimme drang in seine Gedanken.
Francis zwang sich zu einem Lächeln. »Tut mir Leid. Ich bin heute Abend nur ein wenig müde. Wie wär's, wenn wir diese Einkehr damit beginnen, dass wir eine Liste von Zielen zusammenstellen, die wir gerne erreichen würden?«
Es gab Nicken und zustimmendes Gemurmel - wie immer. Er sah die
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