Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft
einen Francis Xavier DeMarco?«
Sie atmete heftig ein. »Ja.«
»Ihr Name und Ihre Telefonnummer waren in seiner Brieftasche. Sie sind als die Person aufgeführt, die bei einem Notfall zu verständigen ist.«
Eine Erinnerung an das letzte Weihnachtsfest durchzuckte ihr Gehirn - als Francis die Brieftasche geöffnet hatte, die sie ihm geschenkt hatte, und ihren Namen auf das gelbe kleine Stück Papier geschrieben hatte, das in dem Schlitz für eine Kreditkarte steckte. »Ja«, war alles, was sie sagte. Ihr Herz schlug so laut, dass sie kaum etwas verstehen konnte.
»Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass es einen Unfall gegeben hat.«
Sie wankte und sank langsam auf die Couch. »Lebt er?«
»Oh, mein Gott«, sagte Lina.
»Er ist ins Claremont Hospital nach Portland gebracht worden. Ich kann Ihnen die Nummer geben.«
Sie spürte ein wenig Hoffnung. »Man hat ihn ins Krankenhaus gebracht? Das bedeutet, er lebt.«
Am anderen Ende der Leitung entstand eine Pause. »Er lebte, als der Krankenwagen am Unfallort eintraf, Ma'am. Das ist alles, was ich weiß.«
Sie konnte sich nicht einmal bedanken. Er gab ihr die Nummer des Krankenhauses und sie schrieb sie benommen auf. Dann wählte sie die Nummer und ließ sich mit der Notaufnahme verbinden.
Ja, sie hatten einen Francis DeMarco. Ja, er lebte noch, aber sein Zustand war ausgesprochen kritisch. Es hatte einen Unfall gegeben ... Ob sie eine Verwandte sei? Nein?
Dann könne man ihr leider keine weiteren Informationen geben. Mr DeMarco sei im Augenblick im Operationssaal und ob der behandelnde Arzt sie anrufen könne, wenn er fertig sei?
Madelaine murmelte etwas von »sie würde da sein« und knallte den Hörer auf die Gabel.
Sie wandte sich an Lina, die noch immer an derselben Stelle stand. Ihr Gesicht war jetzt blass, ihre Augen mit Tränen gefüllt. »Er ist tot«, sagte sie dumpf.
»Nein. Er lebt. Er ist im OP.«
Lina begann zu weinen. »Oh, Mom ...«
Madelaine stand auf und blieb stehen. Sie zitterte. Sie atmete tief und gleichmäßig ein. Jetzt war keine Zeit für diese Panik, diese Furcht. Die Fassung verlieren konnte sie später, aber jetzt brauchte Francis sie. Lina brauchte sie.
Sie ging damit auf die einzige Art um, die sie kannte - mit nüchterner Sachlichkeit. Sie zog den unsichtbaren weißen Mantel an und wurde Dr. Hillyard, die mit diesen Krisen tagtäglich fertig zu werden hatte.
Sie ging zu Lina und nahm ihre Tochter in die Arme, hielt sie ganz fest. Sie spürte, dass Lina endlich ihre Arme um sie schlang, spürte das Zittern von Linas Körper an ihrem, spürte die Feuchtigkeit von Linas Tränen an ihrem Hals. »Schh«, flüsterte sie und streichelte Linas feuchte Wange.
»Wir müssen jetzt stark sein, um Francis' willen. Für das, was wir fühlen, ist jetzt keine Zeit. Zieh dich an und pack das Notwendigste zusammen. Ich werde die Fluggesellschaft anrufen.«
Lina schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«
Madelaine fasste ihre Tochter bei den Schultern. »Du kannst. Du musst.« Ihre Stimme wurde ein wenig weicher. So viel gestattete sie sich. »Er ist im Operationssaal, Lina. Das bedeutet, dass er noch lebt. Er braucht uns.«
Lina blickte zu ihr auf. Ihr Mund zitterte. »Wir brauchen ihn auch, Mom.«
Die wenigen kurzen Worte schmerzten so sehr, dass Madelaine spürte, wie ihr die Tränen kamen. »Ja.« Sie sagte das Wort nicht mit ihrer normalen Stimme. Sie flüsterte es. Aber es dröhnte in der Stille wie ein Schrei.
Die Fahrt zum Flughafen und der Flug nach Portland schienen eine Ewigkeit zu dauern.
Madelaine starrte aus dem kleinen, ovalen Fenster des Flugzeugs und sah ihre eigenen aschgrauen Gesichtszüge in dem Plexiglas. Ihre Augen schienen schwarze Löcher zu sein, eingebrannt in fleischfarbenen Kunststoff. Ihr Mund war ein farbloses Geschmiere.
Schließlich begann das Flugzeug mit dem Sinkflug, der ihre Ohren verschloss. Madelaine wandte sich an Lina und sah die Blässe auf der Wange ihrer Tochter, das hilflose Zittern ihrer Unterlippe.
Es drängte sie zu sagen, dass mit Francis alles in Ordnung sei, aber sie konnte ein solches Versprechen nicht geben. Die Ärztin in ihr war zu dominant und siegte über die Mutter, die bedingungslose Hoffnung anbieten wollte.
»Starr mich nicht an, Mom.« Lina blinzelte nicht und drehte sich auch nicht zu ihr, sondern starrte einfach stur geradeaus auf den burgunderrot gepolsterten Sitz vor sich. Eine Träne quoll zwischen ihren Lidern hervor und rollte über eine farblose Wange, fiel
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