Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft
»Lassen Sie mich von niemand anfassen, bevor Madelaine hier ist.«
Er hatte ihr noch so viel zu sagen, bevor sie diese entsetzliche Sache mit seinem Körper anstellten ...
Und Francis.
Francis. Gott, er hatte seinem großen Bruder so viele Dinge zu sagen. So viele Dinge ... und doch nur eines. Ich liebe dich, Bruder.
Er zuckte bei der Erinnerung an ihre letzte Begegnung zusammen und schloss die Augen. Er würde bei Franco alles wieder gutmachen, wenn Gott ihm nur eine zweite Chance geben würde. Nur eine Sekunde - einen Augenblick des Bewusstseins vor dem Tode, in dem Angel sagen konnte, dass es ihm Leid täte. So verdammt Leid.
Um genau Viertel nach drei kam ein Mann zu Angel herüber, sah sich nacheinander die Maschinen an und sagte schließlich: »Hallo, Mr Jones. Ich bin Dr. Arche.« Er langte nach einem der transparenten Plastikbeutel, die über Angels Kopf hingen. »Das lässt sich leicht merken - Dr. A. für Anästhesie.«
»Oh, gut. Eselsbrücke.« Angel seufzte. »Schläfern Sie mich bloß nicht ein, bevor Madelaine hier ist.«
»Keine Sorge, sie wird gleich neben Ihnen sein.« Dr. Arche huschte als blaugrüner Schatten davon und setzte sich auf einen Hocker, der jaulend quietschte. Die Räder knirschten auf dem Linoleum und der Anästhesist rollte an seinen Platz.
Angel versuchte, seinen Kopf von dem harten Tisch zu heben, konnte das aber nicht. Stattdessen drehte er den Kopf beiseite und starrte auf die geschlossene Tür. Eine Gestalt schimmerte vor dem farblosen Stahl.
Francis, wurde ihm plötzlich bewusst. Sein Bruder war gekommen, um seine Hand zu halten.
»Hallo, Angel.«
Angel wollte etwas sagen und merkte, dass er nicht wusste, was es war. Benommenheit erfüllte ihn. Er blinzelte angestrengt, und als er die Augen öffnete, war Francis verschwunden.
Angels Wange schien mit einem lauten Bumms auf den Tisch zu fallen.
Sie hatten es tatsächlich getan. Diese Arschlöcher hatten mit der Anästhesie begonnen.
Er spürte, wie die Medikamente in seine Venen drangen, in einem schwankenden, vergiftenden Rhythmus durch seinen Körper krochen. Er versuchte, sich zu konzentrieren... auf den Beutel, der über seinem Kopf hing ... auf den stechenden Schmerz der Nadel in seinem Handgelenk ... Es tropfte, tropfte in sein Blut, sickerte hinein und sickerte hinein ...
Er schluckte schwer. Es machte ihm Mühe. Es war, als stecke Baumwolle in seinem Mund und seiner Kehle.
Dr. Arche rollte zu ihm zurück. »Entspannen Sie sich einfach, Mr Jones. Gehen Sie mit dem Strom ... dem Strom ... dem Strom...«
Angel versuchte, sein Kinn zu heben, konnte es aber nicht. »Ver... verfluchter... Huren ... söhn ...«
Dr. Arche lachte leise und rollte zu seinem Platz zurück.
Angel wollte die intravenöse Nadel aus seinem Arm reißen, konnte aber seine Hand nicht heben. Die Lichter über ihm verliefen ineinander und wurden zur Sonne.
Panik überkam ihn, erdrückte ihn, beschleunigte seinen ungleichmäßigen Herzschlag.
»Ganz ruhig, Mr Jones«, sagte Dr. Arche in sein Ohr, »ganz ruhig bleiben, Mann, ganz ruhig. Gehen Sie mit dem Strom.«
Angels Lider zitterten. Seine Augen fielen zu. Er zwang sie wieder auf, versuchte, sich auf die heiße, heiße Sonne zu konzentrieren.
Etwas war anders. Ein Geräusch, wie er benommen bemerkte.
Und dann war sie da, stand über ihn gebeugt, schaute ihn an, füllte seine Welt wie eine Madonna. »Angel? Kannst du mich hören?«
»Mad ...«Er seufzte vor Erleichterung, wollte - sehnte sich danach - ihre Hand in seiner fühlen. Es war nicht genug zu wissen, dass sie ihn berührte. Er wollte es fühlen. Ein letztes Mal. Er wollte diese verdammte Maske von ihrem Gesicht reißen und wieder ihr Lächeln sehen. Es gab noch so viel zu sagen, so viel, und die Medikamente nahmen ihm alles weg. »Liebte ... dich...«
Sie streichelte seine Wange und es fühlte sich gut an, so gut. Er spürte Tränen in seinen Augen brennen. Er kämpfte sich seinen Weg durch die Schichten von Nebel, die sie trennten.
Sie schenkte ihm ein Lächeln - er konnte das über der Maske sehen, daran, wie ihre Augenwinkel sich in Fältchen legten. Er erinnerte sich an dieses Lächeln, hatte sich immer daran erinnert. Gott, so wundervoll...
»Francis«, keuchte er. »Tut mir Leid ... sag ihm ... liebte ihn ... auch.«
Plötzlich sah er Francis neben ihr stehen. Er lächelte dieses schiefe Lächeln, das für ihn so typisch war, flüsterte, dass alles in Ordnung sei, dass es immer in Ordnung gewesen war ...
Aber
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