Kristin Lavranstochter 1
sagte kein Wort. Und er nahm sie nicht in seinen Arm. Schließlich legte er zögernd eine Hand auf ihre Brust, drückte sein Kinn gegen ihre Schulter, so daß die Bartstoppeln sie stachen. Da er immer noch nichts sagte, drehte Kristin sich der Wand zu.
Es war, als sinke und sinke sie. Nicht ein Wort hatte er ihr zu sagen - nun, da er wußte, daß sie sein Kind diese lange schwere Zeit hindurch getragen hatte. Kristin biß im Dunkeln die Zähne zusammen. Sie wollte nicht betteln bei ihm; wenn er schweigen wollte, so konnte auch sie schweigen, und sollte es bis zu dem Tage sein, an dem sie das Kind gebären würde. Der Groll floß in ihr über. Aber sie lag still und ohne sich zu rühren, an der Wand. Und Erlend lag im Dunkel schweigend da. Stunde auf Stunde lagen sie so, und der eine wußte, daß der andere nicht schlief. Schließlich hörte sie an seinem gleichmäßigen Atem, daß er eingeschlummert war. Da ließ sie die Tränen rinnen, wie sie wollten, vor Kummer und vor Kränkung und vor Scham. Dies, dünkte sie, würde sie ihm niemals vergessen können.
Drei Tage lang gingen Erlend und Kristin so umher - Erlend gleich einem begossenen Hunde, wie es die junge Frau dünkte. Sie war heiß und hart vor Zorn, wurde wild vor Erbitterung, wenn sie bemerkte, wie er sie forschend ansah, aber den Blick rasch zurückzog, sobald sie ihm ihre Augen zuwandte.
Am Morgen des vierten Tages saß sie in der Stube, als Erlend, zum Ausreiten gekleidet, in die Türe trat. Er sagte, er wolle nach Medalby hinüber - ob' sie mitkommen und den Hof ansehen wolle; er gehöre mit zu ihrer Morgengabe. Kristin bejahte, und Erlend half ihr selbst in die zottigen hohen Stiefel und in den schwarzen Ärmelumhang mit den Silberspangen.
Auf dem Hofplatz standen vier gesattelte Pferde, aber Erlend sagte nun, Haftor und Egil könnten daheim bleiben und beim Dreschen helfen. Dann hob er selbst seine Frau in den Sattel. Kristin begriff, daß Erlend jetzt im Sinne hatte, das in Ordnung zu bringen, was unbesprochen zwischen ihnen lag. Dennoch sagte er nichts, während sie langsam dahinritten, gegen den Wald im Westen zu.
Sie waren nun schon weit im Schlachtmonat (November), aber trotzdem war hier im Tal noch kein Schnee gefallen. Der Tag war frisch und schön, die Sonne gerade heraufgekommen, und es glitzerte und blitzte golden auf dem weißen Reif überall, auf der Erde und auf den Bäumen. Sie ritten über das Land von Husaby. Kristin sah, daß es nur wenig Getreideland und Stoppelfelder gab, sondern meist brachliegende und alte Wiesen, bucklig, vermoost und mit Erlenschößlingen überwuchert. Sie sprach darüber.
Der Mann antwortete übermütig:
„Weißt du nicht, du, Kristin, die du dich so gut darauf verstehst, auf einem Hof zu schalten und zu walten, daß es sich schlecht lohnt, so nahe bei der Stadt Korn zu bauen - man gewinnt mehr, wenn man Butter und Wolle gegen Getreide und Mehl bei den fremden Kaufleuten tauscht.“
„Da hättest du alles das tauschen sollen, was auf deinen Speichern liegt und nun seit langem verdorben ist“, antwortete Kristin. „Im übrigen weiß ich sehr wohl, daß nach dem Gesetz jeder Mann, der Land bebaut, auf drei Teilen Korn säen, den vierten Teil aber brachliegen lassen soll. Und der eigene Hof des Herrn sollte doch wohl nicht schlechter gepflegt sein als die Höfe der Pächter - so sagte mein Vater stets.“
Erlend lachte ein wenig und erwiderte:
„Ich habe in diesem Stück nie nach dem Gesetz gefragt; wenn ich das bekomme, was mir zusteht, können meine Bauern auf ihren Höfen schalten, wie es ihnen gefällt, und ich schalte auf Husaby, wie es mir am geeignetsten und besten erscheint.“ „Willst du denn klüger sein“, fragte Kristin, „als unsere Vorfahren und Sankt Olav und König Magnus, die diese Gesetze aufgestellt haben?“
Erlend lachte wiederum und sagte:
„Daran hatte ich nicht gedacht. - Zum Teufel auch, wie gut du dich auf Gesetz und Recht des Landes verstehst, Kristin.“ „Ich weiß ein wenig von diesen Dingen“, erklärte Kristin,
„weil mein Vater oft, wenn Sigurd vom Loptshof bei uns war und wir am Abend daheim saßen, ihn bat, uns die Gesetze vorzusprechen. Der Vater meinte, es könne dem Gesinde und den jungen Leuten von Nutzen sein, Kenntnis von diesen Dingen zu erhalten, und so sprach uns Sigurd das eine oder andere Gesetz vor.“
„Sigurd“, sagte Erlend. „Ach ja, jetzt erinnere ich mich, ich sah ihn bei unserer Hochzeit. Das war der langnasige, zahnlose Greis, der
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