Kristin Lavranstochter 1
lachen kann.“
Simon Andressohn heftete den Blick seiner scharfen kleinen Augen auf den anderen.
„Ich dachte an - Frauen. Ich möchte wissen, ob eine Frau Mannestreue und -gelöbnis so achtet, wie wir es untereinander tun - wenn sie oder eine der Ihren etwas gewinnen kann, dadurch, daß sie sich darüber hinwegsetzt. Halfrid, mein erstes Weib... Ja, dies habe ich bisher keiner christlichen Seele anvertraut, Lavrans Björgulvssohn, und ich werde es keinem anderen Menschen anvertrauen. Sie war ein so gutes, frommes und rechtschaffenes Weib, wie ihresgleichen, glaube ich, kaum je gelebt hat; ich habe dir erzählt, wie es sich zutrug, daß Arngjerd auf die Welt kam. Aber damals, als wir merkten, wie es um Sigrid stand - ja, da wollte sie, daß wir meine Schwester verborgen hielten, und sie wollte so tun, als sei sie selbst krank, und wollte dann Sigrids Kind für das ihre ausgeben. Dann hätten wir einen Erben gehabt, das Kind wäre gut aufgehoben gewesen, und Sigrid hätte bei uns bleiben können und hätte sich nicht von ihm zu trennen brauchen. Sie war sich, glaube ich, nicht bewußt, daß dies ein Betrug an ihren eigenen Verwandten gewesen wäre.“
Lavrans sagte nach einer kleinen Weile:
„Da könntest du jetzt auf Mandvik sitzen, Simon ...“
„Ja.“ Simon Darre lachte hart. „Und vielleicht mit ebenso gutem Recht wie gar mancher Mann auf dem Stück Land, das er das Erbe seiner Väter nennt. Da wir ja in diesen Dingen auf nichts anderes vertrauen können als auf die Ehrbarkeit der Frauen.“
Lavrans warf dem Falken die Haube über den Kopf und setzte ihn sich aufs Handgelenk.
„Das ist eine seltsame Rede für einen Mann, der sich mit Heiratsgedanken trägt“, sagte er leise. Es klang etwas wie Unwille durch seine Stimme.
„Über deine Tochter denkt wohl niemand so“, entgegnete Simon.
Lavrans blickte auf den Falken hinab und kraulte ihm mit einem Span die Federn.
„Auch nicht über Kristin?“ flüsterte er.
„Nein“, sagte Simon fest. „Schön hat sie nicht an mir gehandelt, aber nie bemerkte ich, daß sie die Unwahrheit sprach. Sie sagte es offen und ehrlich, daß sie einem Manne begegnet sei, den sie mehr liebe als mich.“
„Du gabst sie so bereitwillig frei“, fragte der Vater leise, „geschah dies nicht, weil du - irgendwelche - Gerüchte - über sie gehört hattest?“
„Nein“, versicherte Simon wie zuvor. „Ich hatte niemals Gerüchte über Kristin gehört.“
Es wurde verabredet, daß das Verspruchsbier noch in demselben Sommer getrunken und die Hochzeit nach Ostern des nächsten Jahres gefeiert werden sollte, wenn Ramborg fünfzehn Jahre alt war.
Kristin hatte ihre Heimat nicht mehr gesehen seit dem Tag, da sie als Braut weggeritten war - dies war nun acht Winter her. Jetzt kehrte sie mit großem Gefolge zurück: mit ihrem Gatten, Margret, fünf Söhnen, Kindermägden, Mägden, Knechten und Pferden mit Reisegut. Lavrans war ihnen entgegengeritten; sie trafen sich auf dem Gebirge von Dovre. Kristin weinte nicht mehr so schnell wie in ihrer Kindheit, als sie aber ihren Vater auf sich zureiten sah, füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie hielt das Pferd an, ließ sich aus dem Sattel gleiten und lief ihrem Vater entgegen, und als sie zusammentrafen, umfaßte sie seine Hand und küßte sie demütig. Lavrans sprang sofort vom Pferd und hob die Tochter in seinen Armen empor. Dann schüttelte er Erlend die Hand, der ebenso wie die anderen jetzt seinem Schwiegervater zu Fuß und mit ehrerbietigem Gruß entgegenging.
Am nächsten Tag kam Simon nach Jörundhof herüber, um seine neuen Verwandten zu begrüßen. Gyrd Darre und Geirmund von Kruke waren mit ihm, deren Frauen aber waren auf Formo zurückgeblieben. Simon wollte seine Hochzeit bei sich feiern, so daß es dort viel Arbeit für die Frauen gab.
Die Begegnung fiel so aus, daß Simon und Erlend einander ungezwungen und frei begrüßten. Simon war Herr über sich selbst, und Erlend gab sich so wohlgemut und munter, daß der andere dachte, er habe gewiß vergessen, wo sie einander zum letzten Male gesehen hatten. Danach gab Simon Kristin die Hand. Sie beide waren weniger sicher, und ihre Blicke ruhten nur ganz flüchtig ineinander.
Kristin dachte, er habe sehr verloren. In seiner Jugend war er doch ganz hübsch gewesen, obgleich er auch damals schon zu dick und kurzhalsig war. Seine stahlgrauen Augen hatten zwischen den schweren Lidern klein geschienen, der Mund war zu zierlich und die Lachgrübchen waren zu groß gewesen
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