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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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immer, man muss doch was auf der hohen Kante haben. Wer weiß denn, wie’s mal wird?«
    Woher die Stasi von diesem Zukunftsdepot wusste? Von Breunings Geschäftspartner, dem Schmuck-, Gold- und Devisenlieferanten höchstpersönlich, der, um seine Lage zu erleichtern, nach seiner Verhaftung ausgepackt hatte.
    »Danach haben se dann auch meine Bücher geprüft. Und damit ging die Sache erst richtig los. Ich, na ja, ich hatte ’ne halbe Million zu viel auf’m Konto.«
    Kein verschämtes, ein stolzes Lächeln.
    »Wie kann man denn in der DDR so viel Geld verdienen?«
    »Durch Tüchtigkeit, junger Mann, durch Tüchtigkeit!«
    »Und welche Art von ›Tüchtigkeit‹ war das?«
    »Engpässe beseitigen!«
    Lenz wartete ab. Er würde weiterreden, dieser Neckermann Breuning; in dieser demütigenden Lebenssituation wollte er für kurze Zeit mal wieder der sein, der er wohl mal war: der große, reiche Moritz Breuning, der clevere Breuning, der Macher und Könner Breuning.
    Gebrauchte Kühlschränke und Waschmaschinen habe er aufgekauft, erklärte er dann auch schon bald mit listig-stolzem Lächeln. Er habe sie reparieren und neu spritzen lassen, also richtig schön wieder hergestellt und als neu weiterverkauft. Was nun aber eine kriminelle Tat sein sollte. »Dabei freuten die Leute sich doch! Überall hätten sie Monate, wenn nicht sogar Jahre auf so ein Gerät warten müssen, die Breuning & Co. KG lieferte prompt.« Weshalb er die gebrauchten Geräte denn nicht ganz einfach als gebrauchte Geräte weiterverkauft habe? »Weil sich die ganze Sache dann für mich nicht gelohnt hätte. Bin Kaufmann, muss Gewinn machen. Außerdem lieferte ich den Leuten ja fast neuwertige Geräte. Keine Reklamationen! Meine generalüberholten und sorgfältig verbesserten Geräte waren ja von höherer Qualität als die störanfälligen Blechkisten frisch ab Werk. Alles beste Handwerkerarbeit!«
    Lenz starrte den Alten im Rollkragenpullover nur an, der hielt diese Sprachlosigkeit für Bewunderung und prahlte weiter: Sowjetische Offiziere hatten keine Farbfernseher in ihren Klubräumen? Kein Problem! Die Breuning & Co. KG half, indem sie die gewünschten Fernseher lieferte und eine entsprechend satte Rechnung über Maschendraht und Klosettbecken ausstellte. »Nun frage ich Sie, wem habe ich damit geschadet? Sollten sich die Freunde ihre langweiligen Kasernenabende doch ruhig ein bisschen gemütlicher gestalten. Und wenn se nun mal für Kultur keine Mittel hatten?«
    Ein Rostocker Betriebsdirektor wünschte sich ein neues, würdig möbliertes Direktorenzimmer, Mittel waren ihm aber nur für die Möblierung des Betriebsferienheims bewilligt worden. »Bitte schön! Hier das Direktorenzimmer, besser als Honecker eins hat, und die Kosten über das Betriebsferienheim abgerechnet. In einem Wirtschaftssystem wie dem unseren muss man sich eben was einfallen lassen. Habe geholfen, wo es ging. Im Westen wäre so etwas ja gar nicht nötig gewesen. Unsere starren Gesetze sind schuld, dass unsereins in solche Situationen gerät.«
    Er servierte Lenz die Argumente, die er sich im Vernehmertrakt verkneifen musste, weil er dort gezwungen war, den reuigen Sünder zu spielen; war richtig glücklich darüber, sich endlich mal ehrlichen Herzens verteidigen zu dürfen.
    »Habe gut verdient. Gebe ich gerne zu. Habe aber auch viel gearbeitet und bin ein hohes Risiko eingegangen.« Er schwelgte in Erinnerungen, der Moritz Breuning: In den teuersten Pelzmänteln seien seine Töchter durch Fürstenwalde geschritten, jede habe einen Wartburg oder Skoda gefahren und an der Ostsee ein eigenes Ferienhaus besessen; von ihren tipptopp eingerichteten Fürstenwalder Häusern ganz zu schweigen. »Sie müssen wissen, meine drei Mädel liebe ich über alles. Für jede Einzelne gehe ich durchs Feuer. Nur schade, dass die Helga auch hier sitzen muss.«
    Wieder weinte er. Dicke Tränen perlten ihm übers Gesicht. »Allein meine Frau, meine liebe gute Frau, die hatte von alldem nichts, benötigte nie etwas. So still, so bescheiden … Oft hatte ich nicht mal Zeit, ihr gute Nacht zu sagen. Jetzt aber kommt se und bringt mir Wurst und Obst und Schokolade, damit ich nicht ganz vom Fleisch falle.«
    »Weshalb dauern Ihre Vernehmungen denn so lange?«
    »Die wollen alles wissen, alles über meine Partei und meine Geschäftsfreunde. Na, und dann die Bücher! Jeden einzelnen Posten gehn se durch. Die haben ja Zeit, ich aber bin vierundsechzig …«
    Lenz senkte den Blick. Er würde ihnen schon

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