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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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lange und wollte schließlich wissen, ob er irgendwelche Beschwerden vorzubringen habe. Jetzt sei dazu Gelegenheit.
    »Ich möchte wissen, wo meine Frau und meine Kinder sind.«
    »Die sind gut untergebracht. Es ist ihnen nichts passiert.«
    »Und wo?«
    »In einem Hotel. Erst in Burgas, jetzt in Sofia. Morgen werden sie nach Berlin zurückgebracht.«
    Neuigkeiten, die Lenz erst verarbeiten musste. »Und was passiert dort mit ihnen?«
    »Das ist nicht unsere Sache.« Der große, schlanke, gemütliche Kater drückte seine Zigarette aus, stand auf, trat ans Fenster und streckte sich. Es sah aus, als ermüdeten ihn all diese unerfreulichen Alltagsgeschäfte. Als er sich Lenz wieder zuwandte, blickte er fast ein wenig unwillig. »Manfrede! – Ich darf doch Manfrede zu Ihnen sagen? Ich weiß, in Berlin hängt man immer ein e an den Namen, Fritze, Paule, Karle …«
    »Bei Manfred sagt man nur Manne.«
    »Also schön: Manne! Sie haben sich da was eingebrockt – nun müssen Sie es auch auslöffeln, Sie und Ihre ganze Familie!«
    »Aber was wird uns denn überhaupt vorgeworfen? Wir waren ja gerade erst angekommen.«
    »Wissen Sie das wirklich nicht?« Der Kater lächelte traurig, wanderte hinter seinen Schreibtisch zurück, schob sich eine neue Zigarette in die Spitze und begann mit dem Verhör. Anfangs interessierten ihn nur Einzelheiten – wo die Reisepapiere erstanden, wann und wo den Zug bestiegen, wie lange Aufenthalt in Bukarest –, später warf er Lenz vor, mit der Absicht in die Volksrepublik Bulgarien eingereist zu sein, die bulgarische Gastfreundschaft zur Flucht in den kapitalistischen Westen zu missbrauchen.
    Nein, antwortete Lenz, nein, seine Frau, die Kinder und er hätten nur Ferien machen wollen, weiter nichts.
    »Ach, Manne! Wozu lügen? Wir haben Beweise.«
    »Und welche?«
    »Die westdeutschen Pässe. Mit Ihren Fotos drin, ausgestellt auf Ihre Namen.«
    Wenn sie die Pässe hatten, hatten sie auch Franziska und wussten von ihren Plänen. Doch was bewies das schon? Hatte man Hannah, die Kinder und ihn etwa an der Grenze festgenommen? Lenz rückte auf seinem Hocker vor und gab zu, dass seine Frau und er mit dem Gedanken gespielt hätten, über Bulgarien in die Türkei auszureisen. »Meine Schwägerin wollte uns dabei helfen. Aber entschieden – endgültig entschieden – war noch nichts. Die Pässe wurden ja schon vor Wochen ausgestellt. Als wir in Burgas ankamen, hatten wir alle Fluchtabsichten längst aufgegeben.«
    Keine hundertprozentige Lüge. Erst in Sosopol, dem Ferienort, für den sie die Reise gebucht hatten, wollten sie sich endgültig entscheiden – nachdem sie sich die von Fränze mitgebrachten Pässe angesehen hatten. So weit war es aber überhaupt nicht gekommen. Also: Keine Leiche, kein Mord!
    »Na, das können Sie dann ja alles Ihren Behörden erzählen.« Mit eher gleichgültigem Gesicht machte er sich Notizen, dieser freundliche Vernehmer, und da wagte Lenz die Frage nach Fränze. »Was ist denn mit meiner Schwägerin geschehen?«
    »Sie meinen Franziska Möller?«
    »Ja.«
    »Wir haben sie verhaftet. Gleich bei der Einreise. Sie wird ebenfalls zur Rechenschaft gezogen.«
    »Hier – oder in Berlin?«
    »Das werden unsere Gerichte entscheiden.«
    Wenn sie Fränze bereits bei der Einreise verhaftet hatten, mussten sie an der Grenze schon auf sie gewartet haben … Oder sie hatte die Pässe nicht gut genug versteckt, sie waren gefunden und ihr Plan aus ihr herausgekitzelt worden …
    Der Kater schnippte die Asche von seiner Zigarette. »Weshalb haben Sie denn, wie Sie sagen, von Ihrem Plan Abstand genommen? Hatten Sie noch rechtzeitig erkannt, in einem sozialistischen Land besser aufgehoben zu sein?«
    Nein, einen solchen Schmus brachte Lenz nicht über die Lippen, egal, ob er sich damit schadete oder nicht. »Wir hatten Angst bekommen. Wegen der Kinder.« Verdammt noch mal! Man konnte sie doch nicht verurteilen für eine Tat, die sie noch gar nicht begangen hatten. Sie hätten es sich doch tatsächlich noch anders überlegen können.
    »Manne, Manne, Manne! Gestatten Sie, dass ich mich wundere. Wie kommt es, dass ausgerechnet einer wie Sie seinem Land den Rücken kehren wollte? Sie haben doch Karriere gemacht, haben studiert, sind ins Ausland geschickt worden … Indien, Indonesien, Nordafrika. Wer kommt da schon hin? Was hatten denn gerade Sie für Gründe, Ihre Heimat zu verlassen?«
    Eine Frage, die Lenz so beantworten musste, wie es zwischen Hannah und ihm verabredet war. Er

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