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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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Ärger. Ein Filter mit Gummischlauch, der »Schnorchel«, sollte sie im Ernstfall retten. Das könne ihr Lebensretter aber nur, predigten die Genossen Ausbilder, wenn die Maske luft-, gas- und sonstwasdicht abschloss. Schloss sie jedoch dicht ab, beschlugen im Nu die Glasfenster, dann sah man nichts mehr, musste aber noch den Schutzumhang anlegen und zwischen den Beinen zuknöpfen und danach, ebenfalls im Blindflug, die Handschuhe anziehen. Die drolligsten Kreationen entstanden auf diese Weise, und kaum jemand schaffte es, sich in der vorgeschriebenen Zeit in das verlangte graue, froschäugige, außerirdische Plastikwesen zu verwandeln.
    Es war während einer solchen Atomschlag-Übung, als der Flieger Lenz und der Feldwebel Holzinger das erste Mal aneinander gerieten. Der Zug hatte mal wieder die Mux -Klamotten angelegt, und Holzinger und sein Adjudant, der Unteroffizier Märtin, stapften durch den Schnee und kontrollierten den korrekten Sitz von Schutzbekleidung und Gummitier. Letzteres war einfach zu testen: Der Ausbilder hielt einfach den Luftschlauch zu. Saß die Maske fest, bekam der Rekrut keine Luft mehr; saß sie zu locker, konnte er fröhlich weiteratmen. Da niemand Lust hatte, im dichten Nebel herumzustehen, benutzten sie, wenn es sich um eine reine Gasübung handelte, alle den gleichen Trick: Sie schoben einen Finger zwischen Hals und Gummi, bekamen ungefilterte Luft und der Nebel lichtete sich. Mit den bis über die Ellenbogen reichenden, plumpen Schutzhandschuhen aber funktionierte das nicht. Da half nur eines: den Schlauch packen und die Maske ein wenig vom Gesicht fortziehen. Das allerdings war nur möglich, wenn der Ausbilder sich gerade einmal abwandte; wie aber wollte man das im dichten Nebel bemerken? Ein Dilemma, mit dem jeder selber fertig werden musste.
    An jenem Tag phantasierte Holzinger mal wieder, als er gemeinsam mit Märtin die graue Front der Mux -Männer abmarschierte. »Stellt eich vor, wir sann mitten in ’m modernen Krieg. Da wird net bloß Gas eingsetzt, da gibt’s noch andere unfeine Kampfstöfferl. Aber: Ihr könnts eich davor schützn! Des is wuissenschaftlich erwiesn.« Und damit ließ er den Flieger Schneider, der gern ein guter Soldat werden wollte, die Schutzmaske abnehmen – nur Offiziere bekamen welche mit Tröte, durch die sie auch sprechen konnten –, und der rotbäckige Junge mit der Hasenscharte schnarrte herunter, was man tun musste, um einen Atomschlag zu überleben: »Sofort in Deckung gehen! Aber immer nur längs, nicht quer zur Druckwelle. Augen schließen, eventuell noch unbedeckte Körperstellen abdecken, leicht brennbare Stoffe meiden.«
    So hätten »die Leit« in Hiroshima und Nagasaki also nur Mux -Klamotten, Gasmasken und Entgiftungspäckchen bei sich tragen müssen und nichts wäre ihnen passiert? Lenz musste irgendeine unwillige Bewegung gemacht haben, der wachsame Holzinger hatte es bemerkt. »Nehmens die Maskn ab.«
    Lenz gehorchte, und der Genosse Feldwebel wollte wissen, was ihm an seinen Ausführungen nicht gefallen hatte. Einen Moment zögerte Lenz, dann sagte er, dass er sich nicht vorstellen könne, in diesen Klamotten und mit der Maske vor dem Gesicht wirklich geschützt zu sein. Worte, die Holzinger aufbrachten. Ob Lenz etwa glaube, er erzähle hier irgendeinen Quatsch. »Was i Eahna eben gsagt hob, ist Fakt. Merkens sich des!«
    Er sagte das mit einem so überzeugten Gesichtsausdruck, dass Lenz lächeln musste. Was Holzinger zur Weißglut trieb. »Gaas!«, schrie er Lenz an.
    Lenz setzte die Gasmaske wieder auf, und Holzinger griff sich den Schlauch, um zu testen, ob sie luftdicht abschloss. Lenz hielt aus, bis es nicht mehr ging, dann riss er sich die Gasmaske herunter.
    »Was fällts Eahna ein?« Holzinger heuchelte Empörung. »Aufi! Aufi! Lassns kimma! Gaas!«
    Erneut zog Lenz sich die Maske über den Kopf, Holzinger griff zu und Lenz hielt aus, bis er kurz vor dem Ersticken war.
    »Wollens im Ernstfall verrecken?«, schrie Holzinger. »Gaas!«
    Wieder setzte Lenz die Maske auf und wieder griff Holzinger sich den Schlauch, zog die Hand aber zurück, bevor Lenz sich die Maske ein drittes Mal runterreißen konnte. »I will, dass Sie eben grad net umbracht werdn, Flieger Lenz. I will, dass Sie am Leben bleim, wenn’s amol so weit is. Deshalb üb i des mit Eahna. Hobns verstandn? – Ob’s mi verstandn hobn?«
    Lenz nahm die Maske ab, anders hätte er nicht antworten können. »Zu Befehl, Genosse Feldwebel!«
    Sie maßen sich mit Blicken

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