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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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Stettiner Haff. Ein langer Dünner mit Igelfrisur hatte hier mal Ferien gemacht. »Nur Wald und Wasser«, schwärmte er. »Pilze gibt’s hier, Unmengen von Blaubeeren und ’nen tollen FKK-Strand.«
    Er wurde ausgelacht: »Zum Möpsejagen wirste kaum kommen.«
    Auch vor diesem Bahnhof standen Militär-LKWs bereit, und auf die Frage »Wohin?« bekamen sie von einem der Fahrer sogar eine Antwort: »Altwarp.«
    Eine Ortsbezeichnung, die nichts als Achselzucken hervorrief. Keiner von ihnen, nicht mal der Pilzsammler und FKK-Freund, hatte je von diesem »Altwarp« gehört. Einhellige Meinung: Der Arsch der Welt, von nun an hatte er einen Namen.
    Das Ausbildungslager war eine kleine Stadt: mehrere zweistöckige Kasernengebäude, ein Verwaltungsgebäude, Exerzierplätze, eine Sturmbahn, ein Sportplatz. Drum herum viel Wald, viel Landschaft. In der Kleiderkammer ging es zu wie in jeder Militärklamotte: »Passt, passt, passt; der Stahlhelm lässt sich verstellen.« Sie ließen sich zu kleine oder zu große Schuhe, Hosen oder Uniformjacken hinwerfen und weiterschieben. Lief einer von ihnen mit einem nicht passenden Uniformteil zur Ausgabestelle zurück, wurde er grinsend wieder fortgeschickt: »Tauscht das unter euch aus, bis jetzt hat sich noch immer alles zusammengeschoben.«
    Sie wurden mit »Flieger« angeredet. Das fanden einige besser als »Soldat«. War da schon ein gewisser Stolz herauszuhören? Auf einen Dienstgrad, der gar keiner war?
    Im Schlafsaal standen vierundzwanzig Doppelstockbetten, achtundvierzig schmale Spinde, vier große Tische und vor jedem Doppelstockbett zwei Hocker. Wer sich schon im Zug kennen gelernt hatte, blieb beisammen; man einigte sich, wer oben und wer unten schlief. Die Bettwäsche – blauweißer Karobezug – wurde in eine Wolldecke gezogen; beim Bettenmachen, das lernten sie als Erstes, mussten die Kanten glatt gezogen sein. »Wie mit dem Lineal, verstanden?«
    Schon bald legten ein paar »Kriecher« Pappe oder Zeitungen unters Bettzeug. Wurde auch nur eine einzige Falte oder schiefe Kante entdeckt, wurde das Bett eingerissen und musste neu gebaut werden. So lange, bis man Schlittschuh drauf laufen konnte.
    Auch Päckchenbau wurde ihnen noch während dieses ersten Tages beigebracht. Uniform, Unterwäsche, Koppel und Käppi gehörten im maßgenauen Quadrat und auf Kante auf dem Hocker zusammengelegt, damit bei Alarm alles gleich zur Hand war.
    Weshalb dazu die Kanten sein mussten?
    Ein Soldat hat zu gehorchen und keine Fragen zu stellen.
    Lenz blickte auf. Eine sozialistische Armee?
    War eines der Päckchen nicht akkurat abgezirkelt gebaut, flog es vom Hocker und der Schlamp durfte noch mal von vorne anfangen. So lange, bis es klappte. War der Schrank nicht nach Vorschrift eingeräumt oder die Wäsche darin nicht auf zwanzig, sondern auf zwanzig und einen halben Zentimeter Breite zusammengelegt, musste er neu eingeräumt werden. Die Kragenbinde hatte immer sauber zu sein. Blütenweiß! Waschmittel aus der Tube wurde ihnen empfohlen. »Sind schon welche wegen grauer Kragenbinden im Bau verschwunden.« Das Käppi musste zwei Finger breit über der Nasenwurzel sitzen und die Hosen so in den Stiefeln stecken, dass sie keine Flattermänner machten. Als Frisur war strenger Fassonschnitt gefordert; war er nicht streng genug, ging es ab – zum »Glatzenschneider«.
    War hier irgendwas anders als in anderen Armeen?
    Die erste Nacht in diesem riesigen Schlafstall! Die eine Sorte Witzbolde lachte über jeden Furz, die andere beunruhigte es offensichtlich, mit so vielen Männern in einem Raum schlafen zu müssen. »Ich brauch ’nen Unnn-terleutnant«, stöhnte einer. Ein anderer: »Oh, oh, Herr Oh-berleutnant!«
    Es wurde gelacht und gekichert.
    Tags darauf der erste Frühsport. Und Schreierei: »Fleißi, fleißi! Oarschbackn ausanand!« – »Warum gehts denn des net schneller? Hobts wohl heit auf d’ Nacht mit’m Fräulein Faust gschäkert?« – »Seids a Schwulnklub oder a Volkstanzgruppn?« Bei der Gymnastik: »Net so steifoarschig! Koa Ehestandsbewegungn, Liegestütze wuill i sehn!«
    Feldwebel Holzinger! Ihr Zugführer. Ein Schleifer, der direkt einem antimilitaristischen Roman entsprungen zu sein schien. Holzingers Lieblingsspruch: »In eirer Freizeit sauf i mit eich a ganzes Wuirtshaus leer, im Dienst kennt der Loisl koa Verwandtn.« Mittelgroß war er nur, der Alois Holzinger, aber stämmig. Ein Landser-, ein Stiefeltyp; ein Kerl allein aus Keulen und Hintern zusammengesetzt. Borstige,

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