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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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inzwischen besser gehe?
    Hannahs Antwort: »Leider nein. Inzwischen ist daraus eine handfeste Grippe geworden. Wir müssen sie mit Medikamenten voll stopfen.«
    Als sie den Hörer aufgelegt hatte, sah sie Lenz an: »Und wenn das nun mitgehört wurde – und man herausfindet, dass Silke gar keine Erkältung hat?«
    Lenz: »Wir dürfen uns nicht überschätzen. Wer sind wir denn schon? Zwei von siebzehn Millionen, weder prominent noch Führungskader. Wo kämen sie hin, wollten sie jede Hannah und ihren Manne überwachen?«

11. Fotos
    E s war Juli, als Fränze das letzte Mal kam. Die Reise war gebucht, Sosopol hieß das Ferienziel. Bis Burgas galt die Fahrkarte, über den Grenzübergang Malko Tarnovo sollte die Ausreise in die Türkei erfolgen. Zögernd übergab Lenz der Schwägerin die Passfotos.
    Die Entscheidung war gefallen, ihre Furcht deshalb aber nicht geringer geworden. Es würde nichts schief gehen, natürlich nicht, aber wenn nun doch? Von früh bis spät quälte Hannah und ihn dieser Gedanke, ließ sie nachts nicht schlafen, rührte immer wieder neue Zweifel auf: Gab es wirklich keinen anderen Weg?
    Fränze beruhigte sie. Sie hatte eine Testreise unternommen, sich dieses Malko Tarnovo mal angesehen. Ganz allein war sie mit ihrem alten VW-Käfer durch Österreich und Jugoslawien nach Bulgarien gebraust und von dort aus über den Grenzübergang Malko Tarnovo in die Türkei weitergefahren. Alle notwendigen Stempelabdrucke besaß sie, sie würde die Lieferantenarbeit bestens überprüfen können. »Da geht’s viel lockerer zu als an eurer Grenze. Was meint ihr, was da an westdeutschen Touristen ein- und ausreist. Wenn die hinter jedem einen fahnenflüchtigen Ostdeutschen vermuten wollten, hätten sie viel zu tun.«
    Die gemeinsame Rückfahrt wollte Fränze mit einem von Freunden geliehenen Achtsitzer antreten. »Schön alt, mit jeder Menge Campinggegenständen auf dem Dach. Und dann werden überall im Wagen angebrochene Zigarettenpackungen herumliegen. Auf ausländische Zigaretten sind die Bulgaren ganz besonders scharf, da sehen sie nichts anderes mehr.«
    »Wissen deine Freunde denn von unserem Vorhaben?«
    Fränze zeigte ihrer Schwester einen Vogel.
    Lenz: »Aber der Lieferant weiß Bescheid.«
    »Auch der weiß nur, was er wissen muss.«
    »Durch die Stempel erfährt er viel. Den Rest kann er sich denken.«
    »Und was sollte er für einen Grund haben, sich selbst anzuzeigen? Für illegalen Passhandel werden auch bei uns keine Orden verliehen.«
    »Bei uns würde er für eine solche Anzeige aber einen bekommen. Er muss sich nur an die richtige Stelle wenden.«
    »Und weshalb sollte er das tun? Er verdient gut an der Sache. Auf das Schulterklopfen eurer Stasi oder ein paar hundert Mark Kopfgeld kann er gern verzichten.«
    Franziska hatte Recht: Sie waren ganz bestimmt zu ängstlich. Typische DDRler, zur Gehorsamkeit erzogen, ohne jede Eigeninitiative. Fränzes Plan klang doch ideal ungefährlich: kein Tunnel unter der Mauer, kein Stabhochsprung über sie hinweg, keine Flucht im Kugelhagel – eine Urlaubsreise nach Bulgarien, Weiterreise mit neuen, echten Pässen, in denen ihre eigenen Fotos ihre Identität bewiesen, ihre wirklichen Namen eingetragen und auch ihre Unterschriften echt waren. Und nicht zuletzt: Sie würden die Pässe ja erst unterschreiben, wenn sie sie gründlichst studiert und sich endgültig zur Weiterreise in die Türkei entschlossen hatten. Wie viel mehr Sicherheit wollten sie denn?
    »Entschuldige unsere Bedenken.« Hannah umarmte die Schwester. »Es ist allein wegen der Kinder.«
    »Ich liebe eure Kinder doch auch. Nie würde ich sie einer Gefahr aussetzen, die ich nicht verantworten kann.«
    Nachmittags saßen sie noch in der Letzten Instanz , der ältesten Kneipe der Stadt, nur ein paar Schritte vom Stadtgericht entfernt, und lachten über dieses böse »Omen«: Wenn sie Spökenkiekerei betreiben wollten, sollten sie die Sache lieber gleich abblasen. Am Abend brachten sie Fränze zum Grenzübergang, und Hannah nahm ihrer Schwester noch einmal das Versprechen ab, auch ja H.H.M. und Mutter Hilde nichts von ihrem Vorhaben zu erzählen. Sie traute ihrer Stiefmutter zu, sie von Offenbach aus anzuzeigen, wüsste sie von der geplanten Flucht. »Nur damit ihr die liebe Stieftochter auch weiterhin fernbleibt.«
    Fränze lachte nur: »Was denkst du denn von mir? Denkst du, ich laufe blind durch die Welt?«
    Am Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße warteten Hannah und Lenz wie immer darauf, dass

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