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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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Verständigung mit der Stasi zu hoffen.
    Tags darauf rief Hanne bei ihr an. In den Wochen zuvor war keine Telefonverbindung zustande gekommen, obwohl er, wie er ihr nun mitteilte, fast jeden Tag versucht hatte, sie zu erreichen. Jetzt also erlaubte man ihr, ihm eine neue Botschaft zu übermitteln.
    Kleinlaut gab sie zu, dass er Recht gehabt habe, sie sei nun tatsächlich Schikanen ausgesetzt. Er sagte, das tue ihm Leid – und fragte, ob er, wenn er ihren Namen veränderte, darüber schreiben dürfe. Damit hatte sie nicht gerechnet, sie zögerte, hatte Angst. Die Stasi hörte ja mit. Er sagte, wenn sie es nicht wolle, werde er die Finger von der Sache lassen, denn natürlich würde die Stasi auf diesen Artikel reagieren und die Leidtragende würde wiederum sie sein. Es sei aber wichtig, dass die Öffentlichkeit von diesen Repressalien erfuhr. Sie überlegte noch – schließlich ging es doch nur um die Wahrheit, weshalb sollte ihr Hans denn nicht die Wahrheit schreiben dürfen? –, da war die Leitung plötzlich tot. Und fortan kam kein einziger Anruf, kein Brief und kein Paket mehr zu ihr durch.
    Sie sprach darüber mit Harald, seit einigen Jahren trotz getrennter Wohnungen ihr Lebensgefährte, und er teilte ihr seinen Verdacht mit, dass er, ein anerkannter Wissenschaftler, trotz vieler dringender Einladungen vielleicht nur deshalb nicht zu Symposien, Tagungen oder Kongressen ins westliche Ausland reisen durfte, weil er mit der Mutter eines solches Sohnes liiert war. Er hatte schon so manche Kleingeisterei dieser Art erlebt und lachte darüber – »Sie behindern damit ihren eigenen Fortschritt!« –, ihr jedoch setzte dieser Gedanke zu. Wenn das stimmte, wofür hatte sie sich dann all die Jahre über eingesetzt, wofür Mann und Sohn geopfert? Sie ging zu ihrer Betriebsparteiorganisation, knallte dem Parteisekretär die Sachlage auf den Tisch, erwartete seine Hilfe. Der war entsetzt darüber, in was er da hineingezogen werden sollte, und dachte nicht daran, Partei für sie zu ergreifen. Erst habe sie bei der Erziehung ihres Sohnes versagt, warf er ihr vor, nun offenbare sie auch noch, kein Vertrauen zu Partei und Staat zu haben. Sie solle sich, verdammt noch mal, nicht beschweren, sondern über ihre Rolle in diesem Fall nachdenken. Immerhin bekleide sie als Hauptbuchhalterin einen Vertrauensposten, da dürfe man von ihr doch wohl erwarten, dass sie wisse, auf welche Seite der Front sie gehöre.
    Das war zu viel. Sie sollte Vertrauen zu einem Staat haben, der seine Bürger schikanierte? Sie sollte an eine Partei glauben, die ihre Mitglieder im Stich ließ, wenn sie vom Staat drangsaliert wurden? »Vertrauen kriegt man nicht geschenkt«, schrie sie den blassen jungen Mann an. »Vertrauen erwirbt man sich.«
    Seine Antwort: Das sei eine parteischädigende und staatsfeindliche Aussage, er müsse sie weitermelden.
    »Melde das, wo und wem du willst.« Sie riss sich ihr Parteiabzeichen ab und warf es ihm vor die Füße.
    Lenz erschrak, Frau Gottlieb sah es ihm an, seufzte und zuckte die Achseln. »Ich hatte mich nicht mehr in der Gewalt … Aber natürlich, damit war es endgültig aus. Von der Partei Abtrünnige sind verlorene Seelen, mit denen diskutiert man nicht, die straft man nur noch ab.«
    Und Monika Gottlieb wurde abgestraft. Über Nacht war die brave Genossin, die immer gewusst hatte, wohin sie gehörte, zur Aussätzigen geworden. Sie musste ihre Stelle als Hauptbuchhalterin an eine jüngere Genossin abgeben, wurde nur noch mit Registraturarbeiten beschäftigt, und man deutete ihr an, dass man es begrüßen würde, wenn sie ganz ginge. Nach Feierabend, auf der Straße, erkannte man sie nicht mehr.
    »Das muss man erst mal aushalten … Das Selbstwertgefühl – wie schnell sinkt das auf null! Alle meine Freundschaften – entweder gingen sie kaputt oder sie bekamen etwas Verschwörerisches, Geheimbündlerisches.«
    Sie hatte plötzlich Tränen in den Augen. »Nein, man darf uns nicht mit den Nazis gleichsetzen, nur – warum gibt es so viele Ähnlichkeiten? Wie oft habe ich voller Empörung gelesen, dass so viele Juden über Nacht keine Freunde oder Nachbarn mehr hatten, dass man sie plötzlich nicht mehr kennen wollte. Nun ging’s mir plötzlich genauso – als würde ich eine neue, unsichtbare Art von Judenstern tragen.«
    Lenz schwieg. Er spürte, wie die Frau litt, sie dauerte ihn – zugleich aber fühlte er sich durch ihre Worte bestätigt. Eine grimmige Zufriedenheit überkam ihn: Ja, so sind sie! Mit

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