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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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trugen sie legere Freizeitkleidung, beide lächelten sie entspannt.
    »Guten Abend!« Der Leutnant wies auf den Hocker. Lenz zögerte nur kurz, dann rückte er den Hocker wie immer während der letzten Vernehmungen vor den Häftlingstisch. Vorsicht!, schoss es ihm dabei durch den Kopf. Wenn die dich dermaßen anstrahlen, kann das vieles bedeuten, nur nichts Gutes … Oder etwa doch? Vielleicht haben sie ja doch gute Nachrichten und wollen Hannah und dich freilassen … Dann siehst du schon morgen die Kinder wieder … Diese Hoffnung, sie war so plötzlich in ihm aufgeflackert, dass ihn ein Schwindelgefühl erfasste. Natürlich wollten sie die Kinder wiederhaben, lieber jetzt als gleich, aber sie durften doch nicht in ihr altes Leben zurück; dann würde ja alles von vorn beginnen. Hannah und er, sie wollten Silke und Micha an die Hand nehmen und ausreisen dürfen.
    »Überrascht, was?« Der Schwammige hatte wirklich Fischaugen; kalt und starr war der Blick, während er Lenz seine Zigarettenpackung hinhielt. Duett , die teuerste und beste und bis vor kurzem auch Lenz’ Marke. Er griff sich eine, bekam Feuer gereicht und zog zweimal dran. »Ja«, sagte er und lächelte ebenfalls.
    Gleich strahlten die beiden wieder. Offensichtlich hatten sie sich vorgenommen, sehr, sehr freundlich zu ihm zu sein.
    »Wir haben uns Gedanken über Sie gemacht.« Der Schwammige tippte drei-, viermal auf die Papiere, die vor ihm lagen; sicher Knuts handschriftliche Protokolle der bisherigen Vernehmungen. »Sie sind kein Feind unserer Gesellschaft. Sie sind nur irregeleitet. Vielleicht durch westliche Propaganda, vielleicht durch die Familie Ihrer Frau. Sie sind«, er nickte dem Leutnant zu, wie um eine Bestätigung zu erbitten, »schlimmstenfalls ein Abweichler, aber kein Gegner des Sozialismus.«
    Nanu, worauf zielte das denn ab? Was sollte diese Lobhudelei? Lenz ermahnte sich, ruhig zu bleiben, abzuwarten. Sie würden ihm ihre Absichten schon noch offenbaren. Doch konnte er nicht verhindern, dass die kühne Hoffnung, Hannah und er könnten schon bald freigelassen werden, immer stärker Besitz von ihm ergriff.
    »Wie ist denn eigentlich Ihr Verhältnis zur Arbeiterklasse?« Der Schwammige fuhr sich mit dem Daumennagel über die wulstigen Lippen.
    Da musste Lenz nicht lügen. »Im Kabelwerk hat’s mir besser gefallen als im Außenhandel. Da war nicht so viel Eitelkeit.«
    Der Schwammige nickte, als hätte er genau diese Antwort erwartet. »In Ihrer Wohnung haben wir sehr viele interessante Bücher gefunden. Fast die gesamte Weltliteratur. Alle Achtung!« Wieder sah er den Leutnant an, dieser Mensch mit Fischaugen, der sich durch die Art und Weise, wie er das Gespräch führte, als höherer Dienstgrad zu erkennen gab. »Was würden Sie dazu sagen, wenn wir Ihnen noch mal eine Chance gäben?«
    Also doch! Seine Vermutung hatte nicht getrogen, sie hatten irgendwas Besonderes mit ihm vor. »Was für eine Chance denn?« Lenz bekam einen trockenen Hals.
    »Die Chance, wieder gutzumachen.«
    »Und wie soll das aussehen?«
    »Wir nennen so etwas reparierendes Handeln.« Schon wieder fuhr er sich mit dem Daumennagel über die Lippen, dieser Bruder Fischherz. »Krummes muss wieder gerade gebogen werden.«
    Lenz wartete; rauchte und wartete. Innerlich aber kribbelte es ihm im Blut. Scheiß dich endlich aus, Mann!
    »Denken Sie doch mal daran, welchen Schaden Ihre Frau und Sie uns zugefügt haben. Bei Ihrer Frau, nun ja, da verwundert es nicht. Im Westen aufgewachsen, hat sie viel Falsches gelernt. Sie aber sind ein Kind unserer Gesellschaft, wir haben Sie von frühester Jugend an gefördert und unterstützt, Sie müssten wissen, was richtig und was falsch ist. Wenn Ihnen also daran gelegen ist, dass wir Ihnen wieder vertrauen, beweisen Sie uns, dass wir uns auf Sie verlassen können.«
    »Was für ›Beweise‹ müssten das denn sein?«
    »Sie könnten sich nützlich machen.«
    »Und wie?«
    »Na, zum Beispiel, indem Sie Menschenleben retten.«
    Das hatte der Leutnant gesagt. Der Schwammige wiegte dazu nur den Kopf, als könnte er sich diese Möglichkeit durchaus vorstellen; Rollenspiel für zwei Stasi-Offiziere!
    »Menschenleben retten? Im Knast? Wie denn das?«
    Lenz bekam eine zweite Zigarette angeboten, obwohl er die erste doch gerade erst ausgedrückt hatte.
    »Ganz einfach«, sagte der Schwammige. »Bei uns sitzen ja nicht nur Verirrte ein, wir beherbergen auch Agenten, Terroristen, Provokateure; Menschen, die unseren friedlichen Staat

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